Dass Wahlkampf herrscht, braucht momentan nicht extra erwähnt zu werden. Die dauerlächelnden, Optimismus versprühenden (zumindest, wenn eine Kamera in Sichtweite ist) Kandidaten zur EU- Wahl sind ja in den Medien omnipräsent, tingeln von einer Diskussionssendung zur anderen, von einem Sender zum anderen, von einer Redaktion zur anderen. Man ist selbst auf der Straße nicht mehr sicher vor diesen Typen. Sie geben überall ungefragt ihr Parteicredo zum Besten – aus ihrer Sicht. Dass Wahlkampf ist, erkennt man aber auch daran, dass sich die werten Volksvertreter, für die sie sich halten, plötzlich volksnah geben, sich einsichtig zeigen, Fehler der EU eingestehen, Besserung versprechen. Von all diesen Dingen weiß man aber aus Erfahrung, dass davon nach der Wahl nicht mehr viel übrig ist. Die werten Volksvertreter, für die sie sich halten – oder die, die es im fernen Brüssel werden möchten, wollen uns, den potentiellen Vorzugsstimmenlieferanten, die mit ihrer Parteiführung abgesprochenen Parteiprogramme schmackhaft machen; mehr oder auch weniger erfolgreich. Die Ausnahme ist da der alte und eventuell auch neue Delegationsleiter der ÖVP, Herr Karas. Den kümmert nicht nur die Parteilinie nicht, er arbeitet sogar dagegen, lästert über die Partei und will sein eigenes Ding durchziehen. Er weiß, dass ihn Kanzler Kurz, sein Parteichef, bei der EU- Wahl nicht fallen lassen kann und nützt das weidlich aus. Vielleicht arbeitet er auch auf einen Kommissarsessel hin; wer weiß.
Herr Karas ist jedenfalls noch mehr auf EU- Linie als die österreichische Regierung und das sagt ja schon was. Immerhin gehören wir zu den treuesten Ja- Sagern, sind einer der Musterschüler und erwarten immer Streicheleinheiten von Brüssel. Der EU- hörige Herr Karas richtet sein Fähnlein wieder einmal nach dem Wind, ist auf Linie mit dem EVP- Spitzenkandidaten Weber, der unter anderem die in Bau befindliche Leitung Nord Stream 2 für russisches Erdgas nach Mitteleuropa unbedingt stoppen will. Er will statt dessen teures Flüssiggas von den USA kaufen. Das befürwortet also auch Karas, genau so wie Karas eine unbeschränkte Zuwanderung befürwortet und gegen den Ausstieg Österreichs aus dem UN- Migrationspakt war und ist.
Der Abweichler ist mit seinen Einstellungen eher Wahlhelfer für Rot und Grün als ÖVP- Spitzenkandidat.