Lange Zeit hörte man wenig bis nichts von den Verhandlungen; kein Wunder, es wurde ja auch, wie bei der EU üblich, hinter verschlossenen und wahrscheinlich auch schalldichten Türen verhandelt. Ja, einmal hörte man von Unstimmigkeiten über die Quoten von Rindfleisch und Zucker. Und jetzt, wie ein Paukenschlag, die Meldung: „Mercosur- Pakt: EU und Südamerika einig über Handelsvertrag“. Noch- Kommissionschef Juncker sprach gar von einem „historischen Moment“. Seit 20 Jahren wurde verhandelt und mit dem jetzt in Brüssel vereinbarten Handelsvertrag soll eine der größten oder gar die größte Freihandelszone der Welt geschaffen werden; nach dem Abkommen der EU mit Japan. Von Seiten der EU wie auch von den Südamerikanern hört man nur Superlative. Von großartigen Nachrichten für Unternehmen, Arbeitnehmer und die Wirtschaft und von einem historischen und großartigen Tag und von enormen Vorteilen für die Wirtschaft ist die Rede. Es sollen auch Standards für Lebensmittelsicherheit, Verbraucher- und Umweltschutz einschließlich der Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens vereinbart worden sein, heißt es auf einer deutschen Seite. Ja, richtig: „Es sollen … vereinbart worden sein“. Also weiß außer den Verhandlern, Lobbyisten, Beratern und vielleicht den Unterzeichnern niemand, was ausgehandelt und unterzeichnet wurde. Und trotzdem Begeisterung überall.

Auffällig ist jedoch, dass von Seiten der Medien kaum Kritik zu vernehmen ist und auch noch nicht von Konsumenten- und Umweltschützern. Glaubt etwa wirklich wer, dass dieser Pakt für alle, für wirklich alle Beteiligten und Betroffenen nur Vorteile bringen könnte? Irgendwer wird ganz gewiss zum Handkuss kommen. Der Klimaschutz dürfte bei dem Pakt der Wirtschaft geopfert worden sein. Die Europäer wollen ja z. B. Unmengen an Maschinen und Autos nach Südamerika liefern, da fallen doch sicher Schadstoffe an. Und hat nicht Brasiliens Präsident kürzlich davon gesprochen, dass er verstärkt den Regenwald für Anbau- und Weideflächen abholzen will? Von den dort lebenden Indianern hat er aber nicht gesprochen. Die EU- Bauern werden nicht gerade in Begeisterung ausbrechen, wenn der EU- Markt mit südamerikanischen Rindfleisch geflutet wird und gleichzeitig in der EU gefordert wird, den Fleischkonsum einzuschränken; wegen des Klimas. Dann können in der EU die Rinderzüchter aber gleich zusperren. Allerdings blieben dann die Südamerikaner auf ihren Bergen von Soja sitzen. Und was es mit Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz auf sich hat, weiß man auch noch nicht. Man weiß nur, dass die EU- Führer in erster Linie auf die Wirtschaft schauen.

Apropos Wirtschaft: Wie schaut es bei diesem Pakt eigentlich mit den privaten Schiedsgerichten aus? Können Staaten auch beim Mercosur- Pakt von Konzernen geklagt werden; z. B. auf entgangene Gewinne? Und man hört auch nichts, ob es sich hier um ein „EU- only“- Abkommen handelt, bei dem nur die EU unterzeichnet. Oder ob es ein sogenanntes „Gemischtes Abkommen“ ist, bei dem auch alle EU- Staaten unterzeichnen müssen. Ein solches Abkommen wollen aber die EU- Führer nicht mehr. Das hat ja beim CETA- Abkommen für Verzögerungen und Ärger gesorgt.

Trotz dieser offenen Fragen und ersichtlichen Probleme gibt es kaum Kritik? Gegen TTIP, CETA und TiSA gab es Massendemos, Petitionen, breite Ablehnung, jede Menge kritischer Medienberichte. Und bei Mercosur nichts von all dem?