Die „Abtastphase“ ist vorbei, das vorsichtig- neugierige Beschnuppern haben die Parteispitzen hinter sich. Das war ja der Beginn oder die erste Runde der Sondierungsgespräche. Und nach diesem Beschnuppern kann man eines sagen: Die SPÖ, die Grünen und die NEOS wollen, wie es so hochtrabend heißt, „Regierungsverantwortung übernehmen“. Realistisch gesagt, wollen sie nicht mehr als an die Macht. Die FPÖ sagt, zumindest im Moment, sie wollen wieder Opposition machen, denn das können sie sehr gut. Das wird auch niemand bestreiten. Die FPÖ hat aber die Tür zu einer – theoretisch und auch praktisch – möglichen Koalition noch einen Spalt offen gelassen. Sollte es zu keiner Regierungsbildung von ÖVP und einer (oder auch zweier) der zu einer Koalition bereiten Parteien kommen, würde die FPÖ noch einmal darüber diskutieren, ließ der Chef der Blauen wissen.

Im Moment haben ja die Freiheitlichen andere Sorgen; sie müssen mit dem zweifachen Strache- Problem fertig werden. Und sie müssen dieses Problem lösen, ohne dass es zu noch ärgeren Grabenkämpfen oder gar zu einer eigenen Strache- Partei kommt. Sie müssen sich also irgendwie mit H. C. Strache einigen – und dazu gehört auch eine Beilegung des Zwists zwischen der Parteispitze und Philippa Strache. ÖVP- Chef Kurz, vom Bundespräsidenten mit der Bildung einer Regierung beauftragt, kann sich aber auch nicht allzu locker zurücklehnen. Seinen Wahlsieg verdankt er ja auch vielen auf Grund des Ibiza- Videos von der FPÖ abgesprungenen Wählern. Er ist es also nicht nur den treuen Stammwählern, sondern auch den Ex- FPÖ- Wählern schuldig, den Kurs der gestürzten Regierung einigermaßen beizubehalten. Mit den NEOS alleine geht das – wegen der mangelnden Mehrheit – sowieso nicht. Mit der SPÖ wäre es nur möglich mit kräftigen Abstrichen und mit den Grünen wäre es schlichtweg undenkbar. Bei einer Koalition von Türkis und Rot würde das Regierungsprogramm der ÖVP stark „verwässert“ werden und sollte es zu einer türkis- grünen Koalition kommen, würde von der türkisen Linie nicht viel übrig bleiben. Die dafür erforderlichen Zugeständnisse an die Grünen würden fast einem Verrat an einem großen Teil der Türkis- Wähler gleichkommen.

Dabei wird in den Medien unmissverständlich eine türkis- grüne Regierung als naheliegendste Variante bevorzugt, ja fast schon gefordert. Und auch beim Bundespräsidenten hat man den Eindruck, dass er Kurz eine grüne Falle gestellt hat. Die Möglichkeiten für Kurz, wenn er sich gegen eine türkis- grüne Regierung entscheidet (und falls ihm da nicht Van der Bellen einen Strich durch die Rechnung macht) und auch gegen eine türkis- rote, sind: Eine Alleinregierung; da bräuchte er halt immer mindestens 21 ihn unterstützende Abgeordnete anderer Parteien, z. B. von der FPÖ. Oder eine Minderheitsregierung mit den NEOS. Da würden bei jeder Abstimmung nur mindestens 6 Stimmen fehlen.

Die nächsten Wochen werden spannend.