Es gibt ein altes Sprichwort, das da lautet: „Das Hemd ist mir näher als der Rock“. Dieser Spruch besagt im Grunde, dass bei schwierigen Entscheidungen den eigenen Interessen oder dem eigenen Vorteil der Vorzug gegeben wird gegenüber den Interessen oder dem Vorteil anderer, mir nicht besonders nahestehender Personen. Man möchte meinen, das wäre doch naheliegend und das Sprichwort hätte seine Berechtigung. Ist das tatsächlich so? Ein Beispiel: Wer in ein Flugzeug steigt, muss vor dem Start die Sicherheitsunterweisung über sich ergehen lassen, entweder auf dem Monitor oder durch das Bordpersonal. Und da wird bei allen Fluglinien weltweit gezeigt, dass, wenn die Sauerstoffmasken herunterfallen, der Selbstschutz vorrangig ist. Das heißt, erst wenn man selbst die Maske aufgesetzt hat, soll man anderen Menschen helfen. Zuerst ich selbst, dann die anderen.
Ein weiteres Beispiel fällt mir aber nicht mehr ein. Nicht im persönlichen Bereich, als einzelnes Individuum und auch nicht als Gemeinschaftswesen, als Staat, im politischen Bereich. Nur das Gegenteil. Ein Beispiel: Die Regierung wollte in Österreich ein Verbot von Glyphosat beschließen. Das geht nicht, hieß es da, da müssen wir vorher in Brüssel untertänigst anfragen, ob wir das dürfen. Oder: Österreich hat Gesetze beschlossen, die von EU- Institutionen aufgehoben wurden, weil sie aus deren Sicht gegen irgendwas verstoßen oder mit irgendwas nicht vereinbar sind. Das Hemd darf uns nicht mehr näher sein als der Rock. Eine Gemeinde weigert sich, einer zugezogenen Großfamilie den Kauf eines Hauses zu genehmigen; wegen gravierender kultureller Differenzen, die das Miteinander in der Gemeinde massiv und nachhaltig stören könnten. Die Gemeinde muss den Kauf genehmigen, eine gespaltene Gesellschaft zählt nicht und der Bürgermeister, der sich für einen Großteil seiner Leute einsetzte, ist jetzt ein Rassist und seine Leute gleich mit ihm. Das Hemd darf nicht näher sein als der Rock. Die Regierung wollte Sozialleistungen für Flüchtlinge und Migranten – auf hohem Niveau – dem Bedarf anpassen und an nachvollziehbare Bedingungen knüpfen. Das darf nicht sein; wo kämen wir denn da hin? Im österreichischen Sozialwesen und im Gesundheitssystem knirscht und kracht es im Gebälk. Uns darf aber das Hemd trotzdem nicht näher sein als der Rock. Die österreichischen Steuer- und Beitragszahler müssen heutzutage schon froh sein, wenn sie kostenmäßig nicht diskriminiert sind gegenüber jenen, die erst kurz im Land sind, noch nie was eingezahlt haben und dank der Gesetze und dank einer starken Lobbyarbeit durch NGO´s uneingeschränkten und großzügigen Zugang zu den Systemen haben. Die Finanzierer freuen sich gewiss über steigende Gebühren, Selbstbehalte, gestrichene Zuschüsse und Befreiungen etc. Denn das Hemd darf uns nicht mehr näher sein als der Rock. Und wir haben nichts mehr zu sagen im eigenen Haus.