Die Briten sind draußen, haben der EU den Rücken gekehrt, holten sich ihre Souveränität wieder zurück, brauchen sich von Brüssel nichts mehr sagen zu lassen. In Brüssel wird natürlich schon gejammert wegen des Verlustes, aber da ist mehr Selbstmitleid als sonst was dahinter. Es schmerzt halt, wenn man jemanden ziehen lassen muss, den man nicht ziehen lassen will, aber nicht halten kann. Weil das auch Gesichtsverlust bedeutet. Auch wenn Großbritannien in der EU des Öfteren eher als das gesehen wurde, was man ein ungeliebtes Kind nennt. Weil es oft aufmüpfig war und widerspenstig. Es verweigerte sogar den Euro, weil ihm sein Pfund lieber war. Aber es war halt doch ein Mitglied der Familie. 47 lange Jahre war es Mitglied dieser bunt gemischten und immer größer gewordenen Familie, seit 1973. Einer Familie, die aus wirtschaftlichen Überlegungen gegründet wurde, als Wirtschaftsunion. Die im Laufe der Zeit immer mehr zu einem politischen Gebilde mutierte. Aus dem sich die Briten jetzt verabschiedeten.
Dabei war ganz am Anfang der Beitritt der Briten in die damalige Montanunion bzw. EWG – die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – gar nicht so unproblematisch, gar nicht so selbstverständlich. Der damalige französische Präsident Charles De Gaulle blockierte nämlich 1963 und dann noch einmal 1967 die Aufnahme der Briten. 1973 wurden die Bedenken des französischen Präsidenten jedoch übergangen und die Briten durften beitreten. Dabei formulierte De Gaulle seine Bedenken schon 1963 folgendermaßen: „England ist isoliert, maritim, durch seinen Handel, …mit … weit entfernten Ländern verbunden … Es hat sehr ausgeprägte und originelle Sitten und Gebräuche. Kurz gesagt, die Natur, die Struktur und der wirtschaftliche Kontext Englands unterscheiden sich grundlegend von denen der anderen Staaten des Kontinents. Es ist absehbar, dass der Zusammenhalt all seiner Mitglieder, die sehr zahlreich und sehr unterschiedlich sind, nicht lange halten würde und dass am Ende eine kolossale atlantische Gemeinschaft unter amerikanischer Abhängigkeit und Führung entstehen würde“.
Man weiß aber nicht, ob diese Bedenken De Gaulles nur England und die damaligen Länder des britischen Empire betrafen oder ob er damals schon ahnte, wie und in welche Richtung sich dieses Staatenbündnis, aus dem viel später die EG und dann die EU hervorging, entwickeln würde. Und jetzt, da Großbritannien weg ist, strebt Frankreich unter Präsident Macron nach der Führungsrolle in der EU.