Die fast EU- weite Empörung über Orbans „Notstandsgesetz“ ist noch deutlich zu hören. Vom Abbau demokratischer Regeln ist die Rede, vom Weg in die Diktatur, den Ungarn mit diesem Gesetz angeblich eingeschlagen hat und die Österreicher haben sicher auch noch das Interview des ORF- Starmoderators Wolf mit der zugeschalteten ungarischen Justizministerin im Ohr, in dem sich Wolf zum Verteidiger der Demokratie erklärte und die Ministerin mit Bravour das Gesetz verteidigte. Orban hatte auch kein Problem, dieses Gesetz zu beschließen. Er scheiterte zwar beim ersten Versuch an der notwendigen Vierfünftel- Mehrheit im Parlament, aber beim zweiten Versuch wurde die geforderte Zweidrittel- Mehrheit locker erreicht. Schließlich und endlich gewann Orbans Fidesz- Partei bei den letzten drei Wahlen jeweils mehr als zwei Drittel der Mandate.
Aber haben nicht andere Länder im Schatten der Corona- Krise auch die Gelegenheit genutzt und Gesetze und/oder Verordnungen durchgedrückt, die in „normalen“ Zeiten nie und nimmer durchgegangen wären? In Österreich wurde das sogenannte COVID- 19- Maßnahmengesetz beschlossen. Da war alles drin von der sehr umfangreichen Finanzierung von Maßnahmen im Umgang mit der schnellen Ausbreitung bzw. der Verhinderung des Coronavirus bis zu Möglichkeiten der Anwendung von Zwangsmaßnahmen durch Sicherheitsbehörden. Handydaten wurden schon für Standortanalysen verwendet, um Bewegungsprofile erstellen zu können und jetzt wird heftig darüber diskutiert, ob eine sogenannte „Stopp- Corona- App“ verpflichtend angewendet werden soll oder nicht. Nationalratspräsident Sobotka will sie um jeden Preis verpflichtend einführen. Er will die Menschen vor die Wahl stellen: Entweder die App am Handy installieren oder, wenn das nicht möglich ist, die Bewegungsfreiheit einschränken. Der Hobby- Dirigent will diesen Leuten also „Hausarrest“ verpassen. Angeblich soll der Datenschutz auch bei einer Verpflichtung gewahrt bleiben, soll es zu keinen Eingriffen bei Grundrechten kommen. Wer kann das aber mit Sicherheit sagen, wenn er kein Rechtsexperte und kein Datenfachmann ist? Gibt es da bei allen schon beschlossenen und erst geplanten Maßnahmen Ähnlichkeiten mit Orbans Notstandsgesetz?
Auch in Deutschland tut sich in der Richtung was. Da gab es in Berlin trotz oder sogar entgegen bestehender Corona- Einschränkungen eine „Demo“ gegen deutsche Notstandsgesetze. Da ging es „gegen die Auflösung der Bürgerrechte und das teilweise außer Kraft setzen des Grundgesetzes“, wie eine deutsche Webseite berichtete. Diese Notstandsgesetze gibt es in Deutschland seit 1968. Es wird da unterschieden zwischen äußerem und innerem Notstand und Katastrophenfall. Wenn ein solcher Fall eintritt, kann z. B. das Grundrecht, sich frei zu bewegen, eingeschränkt werden. In einem Gutachten heißt es aber, „nach herrschender Meinung sei es der Regierung nicht gestattet, gesetzliche Vorschriften oder Gesetze insgesamt außer Kraft zu setzen“. Die Notstandsgesetze würden somit gegen geltendes Recht verstoßen.
Ist das nicht auch eine vergleichbare Situation wie in Ungarn?