Als der FPÖ- Mann Herbert Kickl noch Innenminister war, sprach er einmal in der ORF- Sendung „Report“ im Zusammenhang mit kriminellen Asylwerbern und Flüchtlingen über die Gefahr für den Rechtsstaat, wenn dieser „quasi gegen sich selbst zur Anwendung gebracht wird … durch irgendwelche seltsamen rechtlichen Konstruktionen , teilweise viele, viele Jahre alt, aus ganz anderen Situationen heraus entstanden. Und die hindern uns daran, das zu tun, was notwendig ist … Denn ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“. Mehr brauchte Kickl nicht. Die Empörung bei seinen Gegnern schlug haushohe Wellen. Seine Gegner, nein, seine Feinde sprangen im Quadrat. Das Recht soll der Politik folgen; ja, wo kämen wir denn da hin? Bei einer niederösterreichischen Zeitung wurde der Kickl- Sager sogar zum „Unspruch des Jahres“ gewählt.
Ein Innenminister Kickl ist längst Vergangenheit und seine Nachfolger machen im Umgang mit kriminellen Asylwerbern und Flüchtlingen genau das gleiche wie seine Vorgänger, nämlich so gut wie nichts. Allerdings wurde jetzt vom ORF der Kickl- Sager vom Recht, das der Politik folgen soll, wieder aktiviert. Aber nicht im Zusammenhang mit Asylwerbern, sondern mit der Coronakrise. Da macht sich nämlich immer mehr Unmut breit in der Bevölkerung über, wie es in letzter Zeit war, die Covid- 19- Sammelgesetze, welche große Eingriffe in die Grundrechte der Bürger bedeuten, fast täglich neue Verhaltensregeln, schwer durchschaubare oder sich scheinbar widersprechende Vorschriften, vereinzelt nicht nachvollziehbare Strafen usw. Selbst hochrangige und anerkannte Juristen üben massive Kritik daran, dass mit Erlässen und Verordnungen regiert wird und die Gesetze vernachlässigt werden. Sogenannte „Unschärfen“ (Copyright Gesundheitsminister Anschober) in der Gesetzgebung zu den Erlässen und Verordnungen sollen irgendwann hinterher „selbstverständlich bereinigt“ werden. Und Kanzler Kurz sagte zur Kritik, das seien alles „Husch- Pfusch- Aktionen“ und die Qualität der Gesetze und Verordnungen , die erlassen wurden, lassen vermissen an Qualität“, Juristen sollen das bitte nicht überinterpretieren, der Verfassungsgerichtshof werde dann schon prüfen, ob alles auf Beistrich und Komma (!) denn stimme. Und die Moderatorin fragte dann, ob die momentane Situation in der Gesetzgebung nicht genau das ist, wovon Kickl vor gut einem Jahr sprach. Nämlich, dass das Recht der Politik zu folgen habe. Der Unterschied ist nur: Bei Kickl löste seine Äußerung Empörung und geheucheltes Entsetzen aus, bei Kanzler Kurz nur verhaltene Kritik aus den Reihen der Opposition und einiger Verfassungsrechtler. Und außerdem werden einige der umstrittenen Erlässe bzw. die Gesetze dazu eventuell schon wieder außer Kraft sein, bevor die Verfassungsrechtler die „Unschärfen“ korrigiert haben.
Bei den Lateinern hieß es früher: „Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt“.