In der „Wertegemeinschaft“ namens EU rumort es wieder – und wieder einmal sind Ungarn und Polen die Auslöser. Genau genommen eigentlich das 1,8 Billionen (1.800 Milliarden) schwere EU- Budget für die kommenden 7 Jahre und der EU- Streit wegen der Rechtsstaatlichkeit der streitbaren EU- Mitglieder Ungarn und Polen, die sich von Brüssel nicht alles bieten lassen wollen. Bei dem 1,8 Billionen schweren Finanzpaket sind ja auch die 750 Milliarden Corona- Hilfen dabei – teils als Geschenke, teils als rückzahlbare Kredite. Das ganze Paket kann nur mit Zustimmung aller EU- Staaten beschlossen werden. Daran scheitert es aber, denn Ungarn und Polen haben ein Veto eingelegt. Das kam daher, weil EU- Parlament und Mitgliedsländer sich darauf einigten, dass bei bestimmten Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit – wenn z. B. aus Sicht der EU die Unabhängigkeit der Medien oder der Gerichte nicht oder nicht mehr gesichert ist – EU- Mittel gekürzt oder gestrichen werden können. Genau das wird Ungarn bei den Medien und Polen bei den Gerichten vorgeworfen und deshalb haben diese Länder auch Rechtsstaatlichkeitsverfahren am Hals. Gegen dieses Rechtsstaatsinstrument (der Möglichkeit, Mittel zu kürzen) konnten sie sich nicht wehren, das wurde mit qualifizierter Mehrheit beschlossen. Da sie eine Kürzung der Mittel nicht einfach so hinnehmen, haben sie als Retourkutsche ein Veto gegen das Budget eingelegt.
Bei der Frage, ob EU- Gelder von der Rechtsstaatlichkeit abhängig gemacht werden können, geht es Polen darum, ob es ein souveränes Land innerhalb der EU sei oder ob es „der politischen und institutionalisierten Versklavung unterworfen wird“. Und Ungarns Premier Orban erklärte, es widerspreche der Idee der Rechtsstaatlichkeit, wenn Sanktionen auf der Grundlage nicht näher spezifizierter Kriterien verhängt würden“. Es gebe ja keine klare Definition für Rechtsstaatlichkeit. Ungarn und Polen seien deshalb auch bereit, zum Schutz ihrer Autonomie als EU- Mitgliedsstaaten jeden Preis zu zahlen. Dabei haben Ungarn und Polen in diesem Streit jetzt unverhofft Unterstützung von Slowenien erhalten. In einem Brief an EU- Ratspräsident Michel schrieb der slowenische Ministerpräsident: „Nur eine unabhängige juristische Instanz kann bestimmen, was Rechtsstaatlichkeit ist, nicht eine politische Mehrheit“. Derzeit werde aber damit gedroht, das „fälschlicherweise „Rechtsstaatlichkeit“ genannte Instrument dazu zu nutzen, um einzelne EU- Mitgliedsstaaten zu disziplinieren“. Harte, aber wahre Worte. Ungarn und Polen (und eventuell auch Slowenien) unterscheiden sich von vielen anderen EU- Staaten, die um des Brüsseler Wohlwollens willen alles in Kauf nehmen, alles abnicken, was aus Brüssel kommt und dabei auch keine Skrupel haben, der eigenen Bevölkerung in den Rücken zu fallen. Das sieht man aktuell auch am Beispiel Österreich. Kanzler Kurz verteidigt diese umstrittene Rechtsstaatlichkeit, sieht sie als Basis für Auszahlung von EU- Mitteln. Und Kanzler Kurz stimmt letztendlich allen Entscheidungen und Vorgaben aus Brüssel zu.
Othmar Karas, einer der 14 Vizepräsidenten des EU- Parlaments, meldete sich gleich nach dem Veto wütend zu Wort und twitterte: „Die EPP darf es nicht zulassen, dass die EU mit dem Instrument der Einstimmigkeit (das sowieso abgeschafft gehört) erpresst wird. Es wurde alles versucht, um Orban auf einen europäischen und rechtsstaatlichen Weg zurückzuführen …“ Karas fordert den Ausschluss der ungarischen Fidesz- Partei aus der EPP, sollte Orban weiter blockieren. Sehr aufschlussreich ist übrigens die Meinung von Karas zum Instrument der Einstimmigkeit, „das sowieso abgeschafft gehört“. Das war aber bei der österreichischen Volksabstimmung zum EU- Beitritt ein gewichtiges Argument. Da wurde ja versprochen, dass die Stimme des kleinen Österreich gleich viel zählt wie die Stimme eines großen Landes. Bei Abschaffung der Einstimmigkeit, wenn eine qualifizierte Mehrheit entscheidet, hätte Österreich nichts mehr zu sagen. Herr Karas will aber auch, dass Volksabstimmungen, die es eh kaum mehr gibt, weil sie verhindert werden, abgeschafft werden.
Herr Karas und die EU- Kommission wollen nur eines: Freie Fahrt für Entscheidungen aus Brüssel, ohne Möglichkeit des Widerstandes oder des Einspruches. Warum fallen mir dazu spontan Länder wie z. B. Tadschikistan oder Kirgisistan ein?