Ich habe schon mehrmals darauf hingewiesen, dass die österreichische Regierung Brüssel nicht vergraulen will. (Wie z. B. beim geplanten EU- Waffenhandel namens European Peace Facility). Allerdings wird bei EU- Entscheidungen im Vorfeld gerne ein wenig Härte demonstriert, um bei der heimischen Bevölkerung zu punkten. So war es beispielsweise bei den Verhandlungen zum EU- Budget, als es in Wien hieß: „Wir bezahlen nicht mehr“. Und letztendlich wurde zugestimmt, dass Österreich in den nächsten Jahren „um ein Hauseck“ mehr bezahlt. Das gleiche Spiel ist jetzt zu beobachten bei den Verhandlungen über die European Peace Facility, bei der es um Waffenkäufe der EU für insgesamt 10,5 Milliarden Euro geht. Österreich traut sich nicht, dem Deal zuzustimmen. Wegen der zu erwartenden Reaktionen in Österreich. Es traut sich aber auch nicht, „Nein“ zu sagen. Brüssel wäre verärgert, schon alleine deswegen, weil das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Jetzt wird herumgeeiert und eine „konstruktive Enthaltung“ gesucht. Keine Zustimmung und kein Veto. Und letztendlich wird zugestimmt werden, um Brüssel nicht zu verärgern.
Eine ähnliche Sache ist der Euratom- Ausstieg. Dazu gab es ja in Österreich Ende Juni 2020 ein Volksbegehren, welches gerade etwas mehr als 100.000 Unterschriften erreichte. Dieses unerwünschte Volksbegehren – es wurde weder von Umweltschutzorganisationen noch von den Grünen unterstützt, auch nicht vom Bundespräsidenten, und wurde von den Medien totgeschwiegen – muss aber vom Parlament behandelt werden. Besonders wichtig ist dieses Volksbegehren den Volksvertretern aber nicht, die erste Sitzung wurde mehrmals kurzfristig verschoben. Dabei hat Österreich kein AKW, spricht sich offiziell gegen die Atomkraft aus, hat aber jährlich etwa 40 Millionen für die Mitgliedschaft bei Euratom zu bezahlen. Aber der EU ist Atomkraft wichtig, wird als umweltfreundliche Energiequelle angesehen und deswegen will die Regierung aus Euratom auch gar nicht aussteigen bzw. vertritt die ÖVP die Meinung, dass ein Ausstieg nicht möglich sei. Nur: Bei jedem Vertrag ist ein Ausstieg bzw. eine Kündigung möglich. Großbritannien ist übrigens trotz seiner 15 in Betrieb befindlichen und 30 stillgelegten AKW´s schon aus Euratom ausgestiegen. Und im britischen Sellafield, einem der verstrahltesten Orte der Welt, wird der schon Jahre andauernde und schon X Milliarden verschlungene Rückbau und die Dekontamination der dortigen Atomanlagen noch bis ins Jahr 2120, also noch geplante 100 Jahre, andauern und bis dahin noch (sicher zu niedrig) geschätzte 67,5 Milliarden Pfund, also etwa 80 Milliarden Euro, kosten wird. Österreich will also bei ähnlichen Sachen weiterhin dabei sein und mitzahlen.
Das umstrittene Pflanzengift Glyphosat ist auch so eine Sache. Die EU will es nicht verbieten, verlängerte die Zulassung, obwohl die Krebs erregende Wirkung so gut wie nachgewiesen ist. Kanzler Kurz versprach den Österreichern schon vor drei Jahren ein schrittweises Verbot des Pflanzengiftes. Passiert ist bis heute nichts. Kärnen wollte das Gift im Frühjahr 2018 verbieten, scheiterte aber an der EU. Mittlerweile ist es in Kärnten verboten, aber nur für Privatanwender. In der Landwirtschaft ist es weiterhin erlaubt. Das Parlament beschloss im Juli 2019 ein österreichweites Verbot. Seither versucht u. a. die ÖVP das Verbot zu verhindern mit dem Hinweis, ein österreichischer Alleingang sei mit EU- Recht nicht vereinbar. Vor ein paar Tagen konnte man aber lesen: „Glyphosat- Verbot ab sofort möglich“. Der Grund dafür ist eine abgelaufene, von der EU verordnete Stillhaltefrist. Die ÖVP und Umfeldorganisationen blocken ab, sprechen wegen angeblichem Verstoß gegen EU- Recht von drohenden Strafzahlungen, wollen die EU nicht verärgern. Die eigene Bevölkerung ist zweitrangig. Greenpeace und Global 2000 zeigen aber Möglichkeiten für ein Verbot auf und sagen: “ … Der EU- Staat Luxemburg hat uns das bereits erfolgreich bewiesen“.
Aber die Regierung in Wien will nicht.