In der Politik und in der Promi- Welt Österreichs herrscht heuer nicht die sonst übliche „Klingeling“- Weihnachtsstimmung, es herrscht Missstimmung. Aber nicht oder nicht nur Corona mit allem Drum und Dran ist der Grund, sondern fast ausnahmslos das Migrationsthema und ganz konkret die Bewohner oder Insassen des Flüchtlingslagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Da haben sich jetzt katholische und evangelische Kirchenfürsten, Politiker bis hin zum Bundespräsidenten, mehr oder weniger bekannte Schauspieler, Künstler, Promis und Sportler in einer seltenen Allianz zusammengefunden, um gegen die Migrationspolitik der Regierung – eigentlich nur gegen die Migrationspolitik der Türkisen – Stellung zu beziehen; die Grünen warten ja auf die Gelegenheit, den Türkisen zumindest bei dem Thema in den Rücken fallen zu können. Dabei ist die Haltung der Türkisen eigentlich schon nachvollziehbar.
Kardinal Schönborn appellierte vor ein paar Tagen schon an die Österreicher, Familien aus griechischen Lagern aufzunehmen und er schloss sein Schreiben mit den Worten: „… Ich bitte darum“. Bischöfe sprachen in der Predigt über die Flüchtlinge und Migranten. Der evangelische Superintendent Geist wandte sich in einem Brief an Kanzler Kurz und ersuchte ihn, seine Meinung zu ändern. Bundespräsident Van der Bellen schloss sich den Appellen an und meinte: „… Ist es uns wirklich egal, wie es den Leuten dort geht, obwohl wir helfen könnten? Wir haben Platz genug“. Am Wiener Ballhausplatz demonstrierten Politiker, Schauspieler, (Staats-) Künstler, Prominente usw.gegen die türkise Politik, sprachen von Zynismus, von fehlendem Anstand, von moralischem Desaster usw. Sogar Andre Heller war unter den Demonstranten, obwohl er ja sehr wenig Zeit in Österreich verbringt. Und eine Kleinigkeit am Rande noch zu diesem Künstler- und Prominententreffen: Wie auf den Medienfotos ersichtlich, nahmen es die Herrschaften mit den Masken auch nicht so genau. Und eines fällt noch auf: Wenn gefordert wird, Flüchtlinge und Migranten aufzunehmen, werden „die Österreicher“ angesprochen oder noch allgemeiner gehalten, „Österreich“. Oder es wird, wie auch vom Bundespräsidenten, eine anonyme Mehrzahl angesprochen, „…Wir haben Platz genug“. Die Allgemeinheit wird gefordert, die Gemeinschaft. Niemand von diesen demonstrierenden Menschen sagt: „Ich habe in meinem Haus, in meiner Wohnung Platz, ich möchte gerne jemanden aus diesem Lager aufnehmen, ich möchte für diese Menschen sorgen und sie versorgen“. Das sagt keiner der (Staats-) Künstler, Schauspieler, Politiker, Promis, Bischöfe – oder habe ich das etwa überhört?
Über diese Thematik wird jetzt täglich berichtet. Über ein anderes Thema hört man wesentlich weniger; das ist die Obdachlosigkeit in Österreich. Irgendwo so zwischen 15.000 und 22.000 Obdachlose gibt es in Österreich, genaue Zahlen gibt es nicht. Sie werden nicht weniger, sondern eher mehr. Und in Innsbruck haben es jetzt zwei Männer, sie gründeten einen Benefizverein, mit einem Selbstversuch in die Medien geschafft. In der „Krone“ gibt es dazu den Artikel: „Spenden- Aktion: 72 Stunden ohne ein Dach über dem Kopf„. Da wird detailliert über diesen Selbstversuch geschrieben. Aber ansonsten werden für die Obdachlosen keine Aktionen gesetzt. Da finden sich keine Künstler, Schauspieler, Politiker, Promis, Bischöfe, die sich für sie einsetzen würden. Vielleicht ist es deswegen, weil es sich da großteils um „eigene“ Leute handelt, vielleicht ist es aber auch fehlende mediale Aufmerksamkeit. Und dass jemandem das Hemd, in dem Fall die Obdachlosen, näher ist als der Rock, in dem Fall die Migranten, darf man heutzutage ja nicht mehr sagen.
P. S.: Wegen der Aufnahme von Flüchtlingen meldeten sich Religionsvertreter von Katholiken und Evangelischen zu Wort. Von Vertretern islamischer Organisationen war hingegen kein Wort zu vernehmen; weder eine Forderung, Flüchtlinge von Lesbos aufzunehmen noch das Angebot, Flüchtlinge – großteils ja muslimische Glaubensbrüder – in ihren Einrichtungen unterzubringen. Stillschweigen sagt auch was aus.