Eigentlich ist Österreich ein neutraler Staat. Nein, stimmt wahrscheinlich nicht. Eigentlich soll Österreich ein neutraler Staat sein. Im Neutralitätsgesetz lautet nämlich Artikel 1 Abs. 1): „Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität …“  Und Artikel 1 Abs. 2): „Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinem militärischen Bündnis beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiet nicht zulassen“.

  Damit sollte eigentlich alles klar sein. Aber wenn man beobachtet, was bezüglich Neutralität in Österreich abläuft und wenn man in Absatz 1 liest: „Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit …“, dann möchte man fast meinen, dass es reicht, zu behaupten, man sei unabhängig und neutral. Dass es in Wien schon lange ein Verbindungsbüro der NATO gibt, werden zwar viele nicht wissen, aber es ist so. Und vor ein paar Tagen pilgerte Außenminister Schallenberg am Rande des Außenministertreffens der EU in Brüssel ins NATO- Hauptquartier. Dort unterzeichnete er mit NATO- „General“ Stoltenberg das Amtssitzabkommen für das NATO- Liaison- Büro in Wien, eine Art „NATO- Botschaft“. Der Außenminister sagte bei der Gelegenheit auch: „Österreich ist seit 26 Jahren ein verlässlicher und geschätzter Partner der NATO. Seit 1995 haben mehr als 25.000 österreichische Soldatinnen und Soldaten an NATO- Einsätzen mitgewirkt“. Dazu gehören u. a. die Einsätze in Afghanistan, im afrikanischen Mali, im Kosovo. Dann stellt Österreich 560 Soldaten für die European Union Battle Group (EUBG), die Schnelle Eingreiftruppe. Österreich ist also nicht bei der NATO, aber es ist aktiv bei NATO- Einsätzen dabei. Und dass der österreichische Luftraum für die NATO offen ist wie das sprichwörtliche Scheunentor, ist ja auch bekannt. Aber auch auf Österreichs Straßen und Schienen ist die NATO ungehindert unterwegs; um beispielsweise schweres Gerät und Truppen für Manöver so nahe wie möglich an die russische Grenze zu bringen. Und es gibt auch ein Internationales Zentrum des Österreichischen Bundesheeres, das ein offizielles Trainings- und Ausbildungszentrum der „Partnerschaft für den Frieden“, also auch für die NATO, ist, welches Trainingsmöglichkeiten für Bündnispartner und andere Partnerländer bereitstellt. So wie österreichische Truppen z. B. auch in den USA gemeinsam mit US- Truppen trainieren. Das alles dient, genau so wie die von Österreich mitgetragenen Sanktionen gegen Russland, natürlich nur der Friedenssicherung.

  Seit 2017 ist Österreich auch Mitglied von PESCO (Permanent Structured Corporation oder Ständig Strukturierte Zusammenarbeit). Das ist so etwas wie eine „Vorstufe zur EU- Armee“ und Österreich ist eines von 23 Mitgliedern. Das heißt, es sind nicht alle EU- Staaten in dieser „Koalition der Willigen“. Der damalige „Noch- gar nicht- Regierungschef“ Kurz freute sich ganz besonders über den PESCO- Beitritt, weil das für Österreich angeblich ein „Mehr an Sicherheit“ bringe – und auch in Einklang mit unserer verfassungsrechtlich verankerten Neutralität stehe. Dass mit diesem Beitritt auch weitreichende Verpflichtungen verbunden sind, auch finanzieller Natur, darauf wird nicht besonders hingewiesen. Verpflichtungen sind z. B.: Die kontinuierliche Steigerung der Militärausgaben. Die Teilnahme an mindestens einem großen Rüstungsprojekt. Die möglichst rasche Bereitstellung eigener Truppen für EU- Missionen. Es werden natürlich, ob es sich um PESCO handelt oder um Einsätze unter NATO- Kommando, immer wieder die neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen Österreichs betont. Juristisch taucht Österreich aber immer mehr in eine Grauzone ein, was die Neutralität betrifft. Denn die gilt seit Ende des Kalten Krieges ohnehin nur mehr sehr eingeschränkt. Kann man überhaupt noch sagen, dass Österreich neutral ist? Zu Fragen der Neutralität Österreichs verhält sich auch Bundespräsident Van der Bellen der sich sonst zu allen möglichen und unmöglichen Themen äußert, sehr ruhig.

  In einem Artikel zur NATO und Österreich kann man im Netz lesen: „Es gibt keine Neutralen in Europa. Im Ersten Weltkrieg gab es welche, im Zweiten Weltkrieg gab es welche. Aber jetzt gibt es keine mehr“.