Jetzt ist international der Teufel los wegen der „Quasi- Flugzeugentführung“ durch die Regierung Weißrusslands. Die hat ja, wie berichtet, eine Ryanair- Maschine abgefangen, die auf dem Weg von Griechenland nach Litauen war, und zur Landung in Minsk gezwungen. Angeblich war auch eine Warnung vor einer Bombe an Bord des Flugzeugs als Vorwand für die Landung in Minsk im Spiel. Berichtet wird jedenfalls, dass ein im Exil lebender weißrussischer Regierungskritiker, ein Blogger, der sich unter den Fluggästen der umgeleiteten Maschine befand, festgenommen wurde. Über mögliche Hintergründe hört man allerdings nichts. Die gibt es aber.

  Jetzt geht es eben rund in der Politik wegen dieses Vorfalles. Die EU- Kommissionspräsidentin lässt ihrer Empörung freien Lauf und fordert, dass alle Passagiere ihre Reise  sofort fortsetzen dürfen und jeder Verstoß gegen internationale Luftverkehrsregeln Konsequenzen haben muss. Von einem „unfassbaren Fall von Staatsterrorismus“ wird geschrieben und von „staatlicher Luftpiraterie“. Der staatlichen weißrussischen Fluglinie müssen die Landerechte in der EU entzogen werden, ist eine weitere Forderung. Und da angeblich Präsident Lukaschenko persönlich die Entführung der Verkehrsmaschine anordnete, müsse er ab sofort als Krimineller behandelt werden. Ein deutscher Grüner fordert: „Die EU muss auf diesen neuerlichen Fall reagieren und endlich die belarussischen Staatsunternehmen sanktionieren, die von den USA bereits auf ihre Sanktionsliste genommen wurden“. Von EU- Ratschef Michel wurde der Vorfall kurzfristig auf die Tagesordnung des geplanten zweitägigen Sondergipfels in Brüssel genommen, um über Sanktionen zu beraten, denn „der Vorfall wird nicht ohne Konsequenzen bleiben“. Die US- Regierung hat den Vorfall in Weißrussland „scharf verurteilt“ und der US- Außenminister schrieb, es habe sich da um eine „dreiste und schockierende Tat des Lukaschenko- Regimes“ gehandelt… „Wir fordern eine internationale Untersuchung und stimmen uns mit unseren Partnern über die nächsten Schritte ab. Die Vereinigten Staaten stehen an der Seite der Menschen in Belarus“. Auch die NATO fordert eine internationale Untersuchung. Für die grüne deutsche Kanzlerkandidatin kommt die erzwungene Landung „einer staatlichen Entführung eines Passagierflugzeuges“ gleich und meint, „diese beispiellose Eskalation, Bedrohung unserer Freiheit in Europa und massive Gefährdung der europäischen zivilen Luftfahrt kann die Europäische Union nicht hinnehmen“. Dabei ist das Abfangen einer zivilen Verkehrsmaschine gar nichts so Außergewöhnliches und kein Einzelfall und passiert relativ oft. Als Gründe kann man ein Abweichen vom vorgegebenen Kurs hören oder Fehler im Funkverkehr oder es wird auf Funkverkehr nicht reagiert. Man hört aber selten davon bzw. wird davon nur in Kurzmeldungen berichtet. Vor knapp zwei Jahren wurde allerdings berichtet, dass US- amerikanische Kampfflieger über Syrien eine iranische Verkehrsmaschine abfingen, wobei es im Verkehrsflugzeug Verletzte gab. Der jetzige Fall unterscheidet sich allerdings von anderen Fällen dadurch, dass ein Passagier festgenommen wurde und dass die Abfangjäger keine westlichen Militärmaschinen waren.

  Auch die im litauischen Exil lebende und von der EU umschmeichelte weißrussische Oppositionspolitikerin Tichanowskaja meldete sich zu Wort, sprach von einer Geheimdienstoperation, um den Aktivisten und Kritiker verhaften zu können. In einem etwas anderen Licht kann man diesen Fall von „Luftpiraterie“ sehen, wenn man sich an Medienberichte von Mitte April erinnert. Da wurde von einem Putschversuch gegen den weißrussischen Präsidenten und seine Familie berichtet, der von russischen und weißrussischen Geheimdiensten vereitelt bzw. vorzeitig aufgedeckt wurde. Laut Medienberichten wurden damals zwei Oppositionelle in Moskau festgenommen, einer davon angeblich ein US- Bürger. Lukaschenko machte dafür ausländische Geheimdienste, „wahrscheinlich die CIA und der FBI“ aus den USA, verantwortlich. Und in Weißrussland sei eine „Gruppe mit terroristischer Ausrichtung“ zerschlagen worden, die „mit gewalttätigen Mitteln die Macht ergreifen“ wollte. Und schon im August 2020 warnte Lukaschenko vor einem Putschversuch. Und wenn man sich vor Augen führt, dass Weißrussland ein Puffer ist zwischen Russland und der NATO, dann ist dieses Gerücht um einen Putsch vielleicht gar nicht so abwegig und aus der Luft gegriffen. Und erst recht nicht, wenn man sich an den Putsch im Nachbarland Ukraine im Jahr 2014 erinnert. Und vielleicht erhoffen sich die weißrussischen Behörden vom festgenommenen Regierungskritiker und Blogger neue Erkenntnisse über den vereitelten Putsch im April. Denn ganz grundlos riskiert nicht einmal die weißrussische Regierung eine internationale Ächtung und Isolierung.

Nachtrag am 24. 05. um 21: 30 Uhr:

Bezüglich Abfangen eines Zivilflugzeuges las ich eben folgenden Artikel:

Da kann man nur sagen: Was jetzt abläuft mit Weißrussland, ist eigentlich Doppelmoral.