Norbert Hofer sagte 2016 als damaliger Bundespräsidentschaftskandidat in der sogenannten „Elefantenrunde“ im ORF: „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist“. Na, da war was los! Das mindeste von den Kritikern war, dass das eine massive Drohung war. Man kann sich aber wirklich nicht genug wundern, was in Österreich tatsächlich möglich ist. Das betrifft nicht nur den Ibiza- U- Ausschuss, selbst wenn man den nur am Rande verfolgt – mehr ist ja auch fast nicht zumutbar; bei dem, was auf dieser Bühne aufgeführt wird. Das betrifft auch nicht nur die Corona- Krisenbewältigung oder die österreichische Innenpolitik insgesamt. Dieser Tage lieferte auch die grüne Justizministerin Zadic einen Beitrag zum Thema: „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist“. Da ja zumindest in Wien – ob anderswo auch, entzieht sich meiner Kenntnis – der Juni der
„Pride Month“ (laut Übersetzungsprogramm: Monat des Stolzes, Stolz- Monat, Wonnemonat) ist, gibt es viele Veranstaltungen für und von der „LGBTIQ- Community“ und als Höhepunkt findet die sogenannte Regenbogenparade statt. Und vermutlich wegen des „Pride Month“ trat die Justizministerin vor die Kameras und entschuldigte sich für die strafrechtliche Verfolgung von homosexuellen Menschen in Österreich in der Zweiten Republik.
Frau Zadic sagte also: „Als Justizministerin entschuldige ich mich heute in aller Form bei den Betroffenen für das geschehene Unrecht und auch für das lange Schweigen der Justiz, das darauf folgte“. Bis 1971 wurden nämlich gleichgeschlechtliche Handlungen – nicht nur in Österreich – streng bestraft und erst 2002 wurde der letzte Paragraf aus diesem Bereich von strafbaren Handlungen, nämlich „gleichgeschlechtliche Unzucht mit Jugendlichen“, abgeschafft. Dieser Paragraf war halt zum Schutz der Jugendlichen gedacht und ähnliche Paragrafen gibt es auch heute noch, allerdings nicht mehr bezogen auf gleichgeschlechtlich. Der Großteil der Straftatbestände wurde aber schon 1971, also vor 50 Jahren, abgeschafft. Und wenn sich die MInisterin heute entschuldigt „für das geschehene Unrecht“, dann ist das eine sehr heikle Sache. Wenn sie nämlich die Urteile der damaligen Zeit als „geschehenes Unrecht“ bezeichnet, dann sagt sie damit, dass die damalige Rechtsprechung, Gesetzgebung, Regierung kriminell war. Dass gesetzwidrige Urteile gefällt wurden auf Basis ungültiger und rechtswidriger Gesetze. Dass somit Parlament und Regierung rechtswidrigen Gesetze erlassen hätten. Wenn es aber, was die Ministerin bedauert, jetzt keine Entschädigungszahlungen für das „geschehene Unrecht“ einer Verurteilung für damals unter Strafe stehender homosexueller Handlungen gibt – dann dürften die Urteile damals aus rechtlicher Sicht doch korrekt gewesen sein.
Die Ministerin bringt mit ihrer Entschuldigung die damalige Rechtsprechung in Verruf, dabei hat die korrekt nach den Buchstaben der damals gültigen Gesetze gehandelt. Hätte ein Richter damals ein Urteil nach heutiger Rechtsauffassung gefällt,wäre er wohl selbst vor Gericht gestanden; wegen Amtsmissbrauch etwa oder wegen Missachtung der Gesetze. Dass das heute anders gesehen wird, ist eine andere Sache und dem Zeitgeist geschuldet. Aber auch eine grüne Justizministerin kann nicht einfach so das Rad der Zeit zurückdrehen. Weder in dem Bereich noch in anderen Bereichen und das ist auch gut so. Was wäre beispielsweise heute los, wenn alle vor 50 Jahren verhängten Strafen wegen Missachtung des Jugendschutzgesetzes für ungültig erklärt werden würden? Damals wurde noch Wert auf die Jugendschutzgesetze gelegt. Oder wenn man heute die Genfer Konvention mit Stand der 50er oder 60er Jahre nachträglich so hinbiegen möchte, wie der heutige Umgang mit Asylwerbern und Migranten gepflegt wird? Damals gab es nämlich nur Flüchtlinge oder Arbeitsmigranten, auch Gastarbeiter genannt.