Es kündigte sich schon Anfang März an. Damals wurde ja Ungarn – wieder einmal – von der EU- Kommission und mehreren EU- Staaten massiv attackiert. Es ging eigentlich schon lange immer um die gleichen Themen: Um die „Grundwerte“ der EU, die durch Ungarn angeblich verletzt würden. Um die angebliche Einschränkung der Pressefreiheit in Ungarn. Um die gefährdete Rechtsstaatlichkeit. Um die Situation von Flüchtlingen und Migranten. Wegen all dieser Themen wurden vom EU- Parlament, vom EU- Rat und der Kommission Überlegungen angestellt, wie der störrische ungarische Ministerpräsident Orban „auf Linie“ gebracht werden könnte. Vertragsverletzungsverfahren liefen ja schon und Stimmrechte waren den Ungarn auch schon entzogen worden. Da wurde dann nachgedacht über Kürzung oder Streichung von EU- Förderungen oder – als finale Strafe – der Ausschluss aus der EVP- Fraktion, der stärksten Fraktion im EU- Parlament. Der gehören ja auch die ÖVP an und die CDU/ CSU. Dem kam aber Viktor Orban zuvor, indem er dem EVP- Fraktionschef Manfred Weber kurz und bündig schrieb: „Ich informiere Sie hiemit, dass die Fidesz- Europaabgeordneten ihre Mitgliedschaft in der EVP beenden“.
Das sei vorausgeschickt zu dem, was jetzt passierte. Nach der Aufkündigung war die Fidesz- Partei ja „heimatlos“ im EU- Parlament und es wurde gerätselt, welcher Fraktion sie sich anschließen würden. In Frage kamen die „Identität und Demokratie“ (ID), zu der die italienische Lega oder auch die österreichische FPÖ gehört. Oder die Fraktion „Europäische Konservative und Reformer“ (EKR), zu denen die polnische PiS gehört. Und jetzt, am 2. Juli, hat sich in der Richtung was getan. Heute unterzeichneten die Obleute von 16 Parteien eine „Deklaration für die Zukunft Europas“. Es wurde ein EU- weites Großbündnis für freie Vaterländer und gegen EU- Zentralismus gegründet, wie es heißt. Das Ziel dieser kommenden Fraktion ist es, stärkste Kraft im EU- Parlament zu werden. Ob der EU- Delegationsleiter der FPÖ, Harald Vilimsky, der Mann war, der den Weg für dieses Bündnis ebnete oder der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, spielt eigentlich keine Rolle. Mehr oder weniger gleichgesinnte Parteien haben zusammengefunden, sind nicht mehr in zwei Fraktionen , nämlich ID und EKR, gesplittet und somit geschwächt. FPÖ- Chef Kickl sagte dazu in einer Aussendung: „Wir legen mit diesem wichtigen Schritt die Basis für eine Kooperation auch auf Ebene des EU- Parlaments und erreichen dadurch eine noch nie dagewesenen Schlagkraft … Aus heutiger Sicht wäre eine solche Fraktion im EU- Parlament zweitstärkste Kraft – mit dem Ziel, Nummer eins bei den kommenden EU- Wahlen zu werden. Damit hat Europa die Chance, seine Vielfalt, sein kulturelles Erbe, seine Identität und auch seine wirtschaftliche Prosperität abzusichern und die Mitgliedsstaaten in eine gute Zukunft zu führen“, meint der FPÖ- Chef zu dieser Kooperation. Und wenn es mit dieser Fraktion was wird, stehen die Chancen für Nummer zwei oder sogar Nummer eins gar nicht so schlecht. Der Gegenwind der anderen Fraktionen wird sich aber zu einem Sturm entwickeln, da die ideologischen Gegensätze z. B. bei der Migration, um nur ein Beispiel zu nennen, riesig sind. Oder auch, wenn Viktor Orban sagt: „Wir lassen uns nicht von EU- Staaten vorschreiben, wie wir unsere Kinder zu erziehen haben“.
In der „Deklaration für die Zukunft Europas“ heißt es u. a.: “ …Die Serie von Krisen, die sie in den letzten Jahren erschüttert hat, hat jedoch gezeigt, dass die Arbeit der europäischen Zusammenarbeit ins Stocken gerät, vor allem weil die Nationen das Gefühl haben, dass sie langsam ihres Rechts auf Ausübung ihrer legitimen souveränen Befugnisse beraubt werden. Die Europäische Union bedarf einer tiefgreifenden Reform, denn statt Europa und sein Erbe zu schützen, statt die freie Entfaltung der europäischen Nationen zu ermöglichen, wird sie heute selbst zu einer Quelle von Problemen, Ängsten und Unsicherheiten …“