In Afghanistan ist das Außer- Landes- bringen ausländischer Staatsbürger – fast alle mit afghanischen Wurzeln – und Menschen mit ausländischer Aufenthaltsgenehmigung per Flugzeug so gut wie abgeschlossen; es ziehen auch die letzten US- Soldaten mit ihren Flugzeugen aus Afghanistan ab. Als letzte Rückzugsroute bleibt jetzt nur mehr der Landweg nach Usbekistan. Dort sind in der Hauptstadt Taschkent Angehörige des österreichischen Jagdkommandos und versuchen, die restlichen paar hundert Austro- Afghanen von Kabul herauszuholen und nach Österreich zu bringen. Das Problem ist, dass österreichische Behörden nicht wissen, wie viele Austro- Afghanen und Afghanen mit österreichischer Aufenthaltsbewilligung (Ex- Flüchtlinge) eigentlich noch in Afghanistan sind.
Während man in Österreich zumindest offiziell nie was von der Rettung von sogenannten „Ortskräften“ hörte, ist das bei unseren deutschen Nachbarn jetzt ein Riesenthema. Die Regierung steht deswegen jetzt unter Druck. Die deutsche Luftwaffe hat nämlich etwa 5.300 Menschen aus Afghanistan ausgeflogen, aber da waren nur etwa 100 Ortskräfte darunter. Für die SPD ist das ein „Problem“, da sie ja den Koalitionspartner, die Union CDU/ CSU, seit Monaten aufforderte, „seiner Verantwortung gerecht zu werden“. Diese Ortskräfte wurden (und werden) ja von vielen als unentbehrliche und loyale Unterstützer der fremden, in dem Fall deutschen, Soldaten gesehen, deren Leben deswegen von den Taliban bedroht ist. Es wird aber auch in anderen Ländern kritisiert, dass nicht wesentlich mehr Afghanen vor den Taliban in den Westen „gerettet“ wurden. Diese Kritik kommt großteils aus der linksorientierten Welt.
Ein ehemaliger deutscher Oberst der Bundeswehr, als Kommandant eines internationalen Camps zwei Jahre in Afghanistan stationiert, schildert seine Einschätzung der „Ortskräfte“ in einem Leserbrief an die „FAZ“. Unter dem Titel: „Es lohnte sich, für uns zu arbeiten“, schrieb er: „… Was die Ortskräfte angeht, so habe ich einen anderen Zugang als der, der üblicherweise in den Medien verbreitet wird … Selbstlosigkeit war das Letzte, was diese Leute angetrieben hat, um für uns zu arbeiten … Innerlich verachten uns diese Menschen, was sie aus nachvollziehbaren Gründen natürlich nie zugeben werden. sie wollen ja etwas erreichen: den Wohlstandsmagneten Deutschland. Ich will nicht verkennen, dass es Ausnahmen geben mag. Nur: mir sind sie nicht begegnet …“
Das sind meiner Meinung nach die Kernaussagen im Leserbrief des Oberst a. D. aus Andernach. Und dass diese Ortskräfte auch Spione für die und Informanten der Taliban waren und möglicherweise auch für den IS oder Al- Kaida, war ganz sicher allen bewusst. Darüber wurde (und wird auch jetzt) aber kein Wort verloren. Es wird ja auch fast kein Wort darüber verloren, wer oder was diese „Österreicher“ oder diese in Österreich Aufenthaltsberechtigten eigentlich sind, die jetzt noch in Kabul auf ihre „Rettung“ nach Österreich warten. Die eigentlich ihre zweite „Flucht“ aus Afghanistan ist; nach ihrer freiwilligen und selbst gewollten Rückreise von Österreich nach Afghanistan. Und es wird auch kein Wort darüber verloren, ob diese Rettung für die Geretteten irgendwelche Konsequenzen hat; bezüglich Sozialleistungen, Rettungskosten oder Aufenthaltsstatus z. B.
P. S.: Als im Zuge der coronabedingten internationalen Lockdowns im vorigen Jahr Staatsbürger per Flugzeug nach Österreich zurückgeholt wurden, hatten diese „Geretteten“ für die Flugkosten aufzukommen.
Hier ist der Leserbrief: „Es lohnte sich, für uns zu arbeiten“, zu finden: https://www.faz.net/aktuell/politik/briefe-an-die-herausgeber/leserbriefe-vom-26-august-2021-17501255.html#void