Wie ist es möglich, dass in Oberösterreich so viele Menschen die bis vor Kurzem völlig unbekannte und erst vor einigen Monaten gegründete Impfskeptiker- Partei MFG (Mensch Freiheit Grundrechte) wählten? Sie konnte ja nur in Oberösterreich gewählt werden, da sie ja in Graz nicht antrat und sonst nirgends gewählt wurde. Wie ist es möglich, dass in Graz eine bekannte und bekennende Kommunistin die Wahl gewann und wahrscheinlich die neue Bürgermeisterin von Graz wird? Sie ist beliebt, aber ist das der einzige Grund für ihren Erfolg? Was sind die Gründe für diese nicht vorhersehbar gewesenen Tatsachen? Denn es ist eine Tatsache – obwohl es viele noch nicht wahrhaben wollen – dass MFG auf Anhieb mehr als 6 Prozent erreichte, und dass die Kommunisten in Graz Wahlsieger sind. Und was würde wohl passieren, wenn MFG auch bei anderen Landtagswahlen oder auch bei der Nationalratswahl antreten würde – nach Corona, mit anderen Themen – oder nächstes Jahr bei der Bundespräsidentenwahl mit eigenem Kandidaten?

  Wenn man zurückblickt auf die Demos gegen Corona- Maßnahmen im vorigen Jahr und auch heuer und wenn man sich erinnert, dass die zum Teil ohne Genehmigung abgehalten wurden (es gab allerdings auch rechtswidrige Verbote) und zum Teil die Polizei ziemlich harsch vorging; auch bei den genehmigten Demos, muss man trotzdem zugeben: Da dürfte österreichweit noch ziemlich viel Potential für eine Partei wie MFG drinnen sein. Denn die Demo- Teilnehmer sind ja nur die Spitze des Eisberges. Viele Sympathisanten gehen ja nicht zu diesen Demos, weil sie Repressalien befürchten. Viele dieser Menschen gehen zwar testen oder impfen, aber nicht aus Überzeugung. Da ändern auch die großen Medienkampagnen nicht viel daran und auch nicht die Tatsache, dass viele radikalisierte Impffanatiker schon lautstark erschreckende Maßnahmen fordern. Da ist ein Ruf nach 100- prozentigem Selbstbehalt bei Spitalskosten wegen Corona- Behandlung noch ziemlich harmlos. Gefährlicher sind da Forderungen nach lückenloser Impfpflicht auch für Kleinkinder oder Berufsverbote für Impfverweigerer oder rigoroser Ausschluss der Impfverweigerer vom gesellschaftlichen Leben. Man darf in dem Zusammenhang ja eines nicht vergessen und nicht außer acht lassen: In der EU haben nach wie vor alle Corona- Impfstoffe nur eine bedingte Zulassung. Und dass die Corona- Maßnahmen der Regierung auf ziemlich breite Ablehnung stoßen, zeigt sich auch bei den Impf- Volksbegehren. Für „Impfpflicht: Notfalls JA“ gab es enttäuschende 65.729 Unterschriften. Für „Impfpflicht: Striktes NEIN“ gab es hingegen 269.391 Unterschriften.

  Die Demos, die beiden Volksbegehren und der Erfolg von MFG in Oberösterreich hätten die Regierung längst aufschrecken und zur Vernunft bringen müssen. Sie hätte längst erkennen müssen, dass die „Weiter so“- Strategie von Teilen der Bevölkerung abgelehnt wird. Sie hätte längst erkennen müssen, dass es zur praktizierten Strategie auch Alternativen gibt – von Anfang an der schwedische Weg z. B. oder jetzt die Lockerungs- Strategie mehrerer skandinavischer und auch anderer europäischer Staaten. Denn Druck (auf die Bevölkerung) erzeugt Gegendruck. Der bei Wahlen sichtbar werden kann. Denn auch in Graz kann das Ergebnis ein sichtbares Zeichen der Unzufriedenheit mit der Arbeit der etablierten Parteien sein. Kann, aber muss nicht. Jedenfalls gab es in Graz keine MFG als Alternative.