Dass die Lage an der polnisch- weißrussischen Grenze eine brenzlige ist, hat sich schon herumgesprochen. Immerhin begehren dort ein paar tausend Menschen (oder sind es doch wesentlich weniger, womöglich nur „mehrere Dutzend“, wie schon zu lesen war?) auf ziemlich gewalttätige und jedenfalls gesetzwidrige Art und Weise Zutritt in die EU. Und da vermutet jetzt die stellvertretende UNHCR- Hochkommissarin für Schutzfragen (was es doch für Titel gibt!): „Viele der Menschen sind im Wesentlichen Migranten und keine Flüchtlinge“. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, muss man schon ein „Blitzgneisser“ sein, wie man in Wien sagt. Die Vermutung dieser ganz sicher scharfsinnigen Frau bestätigt sich an Österreichs Grenzen täglich hundertfach.
Diese Menschen aus aller Welt, die da am schnell errichteten Stacheldrahtzaun stehen und nicht nach Polen können, wollen ja eigentlich gar nicht nach Polen. Sie wollen nach Deutschland, nach „Germoney“. Sie hängen jetzt im Grenzstreifen zwischen Polen und Weißrussland fest. Die Polen lassen sie (noch) nicht passieren und zurück in die nächste weißrussische Ortschaft wollen sie nicht – oder dürfen sie auch nicht, wie schon behauptet wurde. Sie sind zum Spielball der Politik in einem bösen Spiel geworden – und werden jetzt selbst böse und bösartig. Diese Menschen – mögen es jetzt Migranten sein oder Flüchtlinge – setzen jetzt auf Gewalt, um in die EU, ins „gelobte Land“ zu kommen. Polnische Grenzschützer wollen die Grenze tatsächlich schützen, wollen illegale Grenzübertritte verhindern. Aber wie lange können – oder dürfen – sie das noch? Das Wort „Grenzschutz“ ist ja in der EU schon lange nur mehr eine leere Worthülse, eine Karikatur des Wortes. Und so wie die Vize- Hochkommissarin die Polen schon auffordert, hilfsbedürftigen Menschen die Möglichkeit für einen Asylantrag zu geben, so wird sich in Kürze auch die EU zu Wort melden. Da wird man dann was zu hören kriegen von den Werten der EU und von Humanität und natürlich von Menschenrechten und von der menschenunwürdigen Lage, in der sich diese Menschen befinden und selbstverständlich auch von der menschenverachtenden Vorgangsweise des Lukaschenko- Regimes, welches diese Situation provoziert hat. Und all das soll nicht mehr oder weniger aussagen, als dass Polen doch endlich den verdammten Zaun öffnen und den Weg freigeben soll für alle, die kommen wollen. Es wird aber kein Wort darüber verloren werden, dass dadurch gegen jede Menge Gesetze verstoßen wird; gegen nationale Gesetze und auch gegen EU- Recht. Aber wenn es um illegale Grenzgänger geht, interessiert das schon lange niemanden mehr. Es will sie eigentlich keiner, aber jeder lässt sie herein und nimmt sie. Und die Polen sind eigentlich nur indirekt betroffen. Die in die EU Einlass Fordernden sind ja aus polnischer Sicht eigentlich nur „Transitreisende“. Sie wollen ja nicht in Polen bleiben – Gott bewahre – sondern nach Deutschland weiterreisen.
Und es wäre fast ein Wunder, wenn in Kürze die polnische EU- Außengrenze nicht genau so ein offenes Tor wäre wie z. B. die italienische EU- Außengrenze. Verdächtig ist übrigens, dass sich aktuell das ganze Interesse auf die weißrussisch- polnische Grenze konzentriert, aber absolutes Schweigen herrscht zu den Vorgängen an der Grenze von Weißrussland und Litauen. Will dort niemand mehr in die EU eindringen, hat Litauen den Grenzzaun umsonst gebaut? Es ist auch ruhig geworden um Aufgriffe an Österreichs Grenzen. Auffällig an der ganzen Sache ist sowieso, dass hunderttausende Illegale, die über das Mittelmeer und das Schwarze Meer in die EU kommen, mehr oder weniger hingenommen werden und ein paar tausend, die über die weißrussische Grenze in die EU wollen, die Auslöser einer gefährlichen politischen Krise sein sollen. Sind diese paar Tausend die Lunte, mit der etwa ein Großbrand entfacht werden soll?
Da wird verantwortungslos gezündelt.