Im Zuge des Ukraine- Krieges kommt es auch in Österreich zu sonderbaren Geschichten. Zu einer Diskussion über die verfassungsrechtlich verankerte Neutralität beispielsweise. Da meinte wohl jemand, es sei der passende Zeitpunkt, dieses Thema anzuschneiden, weil angeblich auch Finnland und Schweden laut über die Abschaffung der Neutralität und einen NATO- Beitritt nachdenken. Und wer stellte die österreichische Neutralität zur Diskussion? Es war wieder einmal der Ex- ÖVP- Nationalratspräsident Khol, den man dafür aus der Kiste holte. Es ist ja nicht das erste Mal, dass der mittlerweile Über- 80-Jährige bei Aktionen herhalten soll, deren Ausgang nicht vorhersehbar ist. Er trat beispielsweise 2016 bei der Bundespräsidentenwahl für die ÖVP an, bei der er in der Vorrunde als Vorletzter mit bescheidenen 11,1 Prozent ausschied. Er wurde auch bei anderen heißen Themen von der ÖVP ins Feuer geschickt und aktuell sollte er eine Diskussion über Sinnhaftigkeit oder Unsinnigkeit der Neutralität vom Zaun brechen. So sprach er sich eben für einen NATO- Beitritt oder oder die Teilnahme an einer EU- Armee aus. Dass die österreichische Neutralität eigentlich schon seit dem EU- Beitritt nur mehr eine de jure- Neutralität ist, weiß eigentlich jedes Kind. Dass der damalige Außenminister und spätere Bundeskanzler Sebastian Kurz im Jahr 2017 Österreichs Mitgliedschaft bei PESCO (Ständige Strukturierte Zusammenarbeit) fixierte, wissen schon nicht mehr allzu viele Menschen. Und PESCO ist im Grunde nichts anderes als eine militärische Zusammenarbeit von EU- Staaten – so gesehen eigentlich ein Militärbündnis mit einer Menge Verpflichtungen für die Mitglieder – mit dem Ziel einer „Europäischen Verteidigungsunion“. Die Mitgliedschaft in einem Militärbündnis ist Österreich laut Neutralitätsgesetz allerdings verboten. All das weiß der alte Polit- Haudegen Khol selbstverständlich. Er weiß auch, dass drei Viertel der Österreicher noch immer fest hinter der Neutralität stehen. Und trotzdem sagt er: „Ein neutraler oder bündnisloser Staat bleibt allein, wenn er angegriffen wird“. Er meint aber, dass die Verfechter der Neutralität von „den neuen Notwendigkeiten des Schutzes“ überzeugt werden müssten. Von der ÖVP schlug sich auch gleich ein Wehrsprecher auf die Seite Khols und meinte, über die Neutralität und ihre Ausgestaltung muss „ernsthaft diskutiert werden“. Auch der ÖVP- Mann Othmar Karas, Vizepräsident des EU- Parlaments, ist für eine Abschaffung der Neutralität. Sie spiele, so meinte er, jedenfalls keine Rolle beim Aufbau einer EU- Verteidigungspolitik. Nicht ausgeblendet werden soll bezüglich Neutralität auch die Tatsache, dass Österreich seit Jahren bei diversen Militäreinsätzen im Ausland nicht nur mit einem UN- Mandat beteiligt ist, sondern auch bei irgendwelchen EU- Einsätzen (PESCO?) und sogar bei NATO- Einsätzen dabei ist bzw. war.

  De facto ist die Neutralität also nicht mehr viel wert, de jure wird sie aber hochgehalten. das zeigte sich nach dem ÖVP- Vorstoß. Da betonte die SPÖ- Chefin Rendi- Wagner: „Die Neutralität stärkt als Eckpfeiler der österreichischen Außenpolitik unsere Sicherheit“ und auch die Zweite Nationalratspräsidentin von der SPÖ machte sich stark für die Beibehaltung einer „aktiven Neutralitätspolitik“, bei der man sehr wohl zur Solidarität verpflichtet ist. Von der SPÖ wurde dann eine „unmissverständliche Klarstellung der ÖVP- Position“ von Bundeskanzler Nehammer und Verteidigungsministerin Tanner gefordert. Vom Bundespräsidenten erhoffe sich die SPÖ ebenfalls klare Worte, dass die immerwährende Neutralität Österreichs nicht zur Debatte stehe. Ob dieser Attacken gegen die Aufgabe der Neutralität sah sich der Herr Khol (wieder einmal) allein gelassen. Um weitere Diskussionen zu unterbinden, erklärte dann Kanzler Nehammer fernab von Österreich in Doha: „Österreich war neutral, Österreich ist neutral und Österreich wird auch neutral bleiben… Die österreichische Neutralität hat gute Dienste geleistet und leistet gute Dienste. Für meinen Teil ist damit die Diskussion beendet“.

  Ein paar Tage vorher zog er sich allerdings den Zorn Russlands zu. Da erklärte er nämlich unter anderem, dass die Neutralität Österreichs nach dem 2. Weltkrieg durch sowjetische Kommunisten „aufgezwungen“ worden sei, sagte der Ukraine Hilfslieferungen zu , betonte, politisch niemals neutral zu sein, wenn es um die Achtung des Völkerrechts geht. Allerdings ist Österreich zu Lande und in der Luft offen für NATO- Militärtransporte. Russland zweifelt jetzt jedenfalls an der Qualität der österreichischen Neutralität und „wird das in Zukunft berücksichtigen“. Auf der jetzt von Russland veröffentlichten Liste „unfreundlicher Länder“ ist Österreich jedenfalls auch dabei.