Was in Österreich mit dem „Ibiza- Video“ bestens funktionierte, kommt jetzt auch in Frankreich zur Anwendung. Das „Ibiza- Video“ wurde in Österreich ja etwa zwei Jahre zurückgehalten, weil der ursprüngliche Zeitpunkt für eine Veröffentlichung nicht passte – da wurde nämlich ganz überraschend die SPÖ vom „Silberstein- Skandal“ gebeutelt – aber dann passte der Zeitpunkt und die Wirkung war vermutlich besser als erwartet. FPÖ- Chef Strache weg und auf Dauer politisch ruiniert, die FPÖ schwer angeschlagen – und als (nicht vorhergesehene) Draufgabe Dauerprobleme bei der ÖVP wegen Chataffäre und Inseratenaffäre. Dass die damalige Lichtgestalt der ÖVP, Kanzler Kurz, auch schon wieder längere Zeit Geschichte ist, ist ja indirekt auch eine Folge des Ibiza- Videos. Die linke Welt hatte also wirklich allen Grund zum Feiern und Jubeln.

  Nach dem gleichen Schema wird jetzt, vor dem entscheidenden zweiten Wahlgang, der Stichwahl zwischen Präsident Macron und seiner Herausforderin Le Pen, vorgegangen. Es soll ja um jeden Preis (und vermutlich wirklich um jeden Preis) verhindert werden, dass Marine Le Pen diese Stichwahl gewinnt und französische Präsidentin wird. 2017, bei der letzten Wahl, wurde dieses Ziel dadurch erreicht, dass alle Parteien gegen Le Pen stimmten. Nicht für Macron waren der Großteil der Wähler, sondern gegen Le Pen. Da es dieses Mal sehr knapp werden wird, werden alte Geschichten aufgewärmt. Die Pariser Staatsanwaltschaft, so heißt es, bekam von der EU- Antikorruptionsbehörde OLAF vor Wochen einen Bericht, der jetzt ausgewertet wird, und ein französisches Online- Medium berichtete vor ein paar Tagen, dass Le Pen die Veruntreuung öffentlicher Mittel in Höhe von 140.000 Euro vorgeworfen wird. Zusätzlich schreibt das Medium, dass Mitglieder der Partei Le Pens insgesamt 617.000 Euro veruntreut haben sollen. Nicht zur persönlichen Vorteilsnahme, sondern zur Beschäftigung von Mitarbeitern oder Dienstleistungen. Nun ja; OLAF ist eine EU- Behörde und die EU- Kommission zittert vor einem Sieg Le Pens. Dadurch könnte nämlich die EU zu einer nicht erwünschten Richtungsänderung gezwungen werden. Die vermeintliche Veruntreuung soll übrigens schon 2004 bis 2017 passiert sein, wie eine deutsche Online- Zeitung schrieb.

  Der Anwalt Le Pens kritisierte den Zeitpunkt der Veröffentlichung kurz vor der Wahl als „Instrumentalisierung“. Er kritisierte aber auch, dass weder er noch Frau Le Pen von der schon 2016 eingeleiteten Untersuchung jemals einen Abschlussbericht zu sehen bekamen und er hoffe auf juristische Schritte, da sich seiner Meinung nach OLAF und das Magazin außerhalb der Gesetze bewegen würden.

  Nicht mit dem Vorwurf von (behaupteter bzw. mutmaßlicher) Veruntreuung soll der Wahlsieg von Marine Le Pen verhindert werden, sondern durch den passenden Zeitpunkt der Veröffentlichung der erhobenen Vorwürfe, nämlich eine Woche vor der Wahl.