Mit diesen Worten wies der damalige Kanzler, der „Sonnenkönig“ Kreisky, einen Journalisten zurecht. Es ging dabei am Rande um den AKH- Untersuchungsausschuss. Und diesen legendären Ausspruch Kreisky´s, also „Lernen´S a bissl Geschichte“, könnte man heute zu Recht Kanzler Nehammer empfehlen. Der sagte nämlich am Gedenktag zum Kriegsende am 8. Mai nachmittags im ORF: „… ausgeführt von einer Invasion der russischen Armee in die Ukraine und ukrainische Soldaten die ersten waren, die Wien am 27. April befreit haben vom Nazi- Terror …“ Als ich davon las, konnte ich es zuerst nicht glauben, aber die ORF- Radiothek bestätigte es. Dass Nehammer binnen einiger Worte einen Zeitsprung machte vom Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine zurück zur Befreiung Wiens zum Ende des 2. Weltkriegs – geschenkt. Dass er zum 27. April das Jahr, nämlich 1945, zu erwähnen vergaß – auch beschenkt. Dass er aber ukrainische Soldaten zu den ersten Befreiern Wiens vom Nazi- Terror im April 1945 machte, das ist nicht geschenkt – weil es so nicht stimmt. Also: Lernen´S a bissl Geschichte, Herr Nehammer. Auf „vienna.at“ vom 10. 4. 2015 ist zu lesen (so wie anderswo auch): „… Am 5. April 1945 hatte … die Schlacht um Wien begonnen. Am 13. April verstummte der Gefechtslärm und Wien war befreit“. Und auf „science.orf.at“ vom 27. April 2020 kann man lesen: „Am 27. April 1945 hat Österreich im bereits befreiten Wien seine Unabhängigkeit erklärt“.
Die Deutsche Wehrmacht wurde bei der Schlacht um Wien von der 3. Ukrainischen Front der Roten Armee (der Sowjets) besiegt. Und diese 3. Ukrainische Front war ursprünglich die Südwestfront, ein Großverband der Roten Armee. Im Oktober 1942 erfolgte eine Neuformierung der Front und am 20. Oktober 1943 erhielt die Front die Bezeichnung „3. Ukrainische Front“, die aus sieben Armeen, darunter eine Panzerarmee, bestand. So kann man es auf Wikipedia auch heute noch lesen. Es mögen auch Ukrainer dabei gewesen sein, aber in der 3. Ukrainischen Front waren sicher nicht nur Ukrainer.
Wenn heute aus Solidarität mit der Ukraine geschichtliche Fakten verdreht werden – und ukrainische Soldaten ohne jeglichen historischen Nachweis zu Befreiern Wiens zum Ende des 2. Weltkriegs zu machen, ist so etwas – dann ist das bedenklich und hat mit Solidarität nichts zu tun. Wenn der Kanzler aber nicht weiß, wann damals Wien tatsächlich befreit wurde und das Datum verwechselt mit dem Tag, als die österreichische Unabhängigkeit erklärt wurde, ist das peinlich. Und wenn zwei solche Schnitzer in einer Rede binnen einer Minute passieren, ist das beschämend. Oder aber, die Wahrheit ist nichts mehr wert.
Also: Lernen´S a bissl Geschichte. Und verbiegen´s Geschichte aber nicht.