Ist diese EU nicht ein sauberer Verein? Und immer für Überraschungen gut. In der EU und in der Ukraine. Dieser Verein stellt auch Regeln auf, die er gerne bricht. Das berühmteste Beispiel sind die Maastricht- Kriterien. Die Schuldenobergrenze für Mitgliedsstaaten, die eigentlich 60 Prozent des BIP nicht übersteigen dürfte. Eigentlich wäre es so, aber die Realität schaut anders aus. Griechenland, Italien, Portugal, Spanien, Frankreich, Belgien, Zypern zwischen 193 und 104 Prozent, die Eurozone 95,6 Prozent, die EU-27 bei 88,2 Prozent. Detail am Rande: Die Euro- Länder haben die höchste Verschuldung. Mit der jährlichen Neuverschuldung ist es das Gleiche. Nach „hauseigenen“ Regeln wäre die Obergrenze 3 Prozent. Tatsächlich lag für 2021 der Wert für die EU-27 bei 4,7 Prozent. Also mehr als die Hälfte über dem offiziellen Grenzwert. Eine weitere „eiserne“ Regel besagte, dass es keine gemeinsamen Schulden geben darf. Die EU darf nicht zur Schulden- Union verkommen, hieß es. Das nannte sich „No- Bailout- Klausel“. Die schließt eigentlich die Haftung der Europäischen Union sowie aller EU- Mitgliedsstaaten für Schulden einzelner Mitgliedsstaaten aus. Nun; die Corona- Pandemie war eine günstige Gelegenheit, diese Klausel über Bord zu werfen. Da wurde doch – nicht kleckern, sondern klotzen – von der EU eine gemeinsame Schuldenaufnahme in Höhe von 750 Milliarden zur Finanzierung des Corona- Aufbaufonds beschlossen. Dies Summe soll nach irgend einem Schlüssel an die Mitgliedsstaaten verteilt werden. Teils geschenkt, teils als Kredit. Dieses Geld kann aber auch gesperrt werden, wenn ein Land nicht spurt. Wenn es nicht so tut, wie die EU- Kommission will. Das betrifft z. B. die üblichen „Schmuddelkinder“ der EU, nämlich Ungarn und Polen.
Und jetzt geht die Diskussion wegen gemeinsamer Schulden schon wieder los. Die EU- Kommission plant schon wieder die Haftung aller Mitgliedsstaaten, wie beim Corona- Aufbaufonds, für die Ukraine- Hilfe. Es soll „eine Konstruktion aus zentraler Schuldenaufnahme und Haftung aller Mitgliedsstaaten“ sein. Die EU- Kommission will nächste Woche dazu einen Vorschlag präsentieren. Demnach will Brüssel von den EU- Staaten 25 Milliarden an Garantien, mit denen 100 Milliarden aufgebracht werden sollen. Als Hilfe für die Ukraine. Vorher will die Kommission aber noch etwa 15 Milliarden (oder doch nur 10?) in die Ukraine überweisen, um das Land für die nächsten drei Monate vor dem Bankrott zu bewahren. Die EU nimmt außerdem nicht nur den Großteil der ukrainischen Flüchtlinge auf, sondern will auch den Wiederaufbau zu einem beträchtlichen Teil finanzieren. Und da kann man sich dann nur mehr an den Kopf greifen. Die USA sorgen in erster Linie dafür, dass der Krieg weitergeht, die Zerstörungen zunehmen. Die USA machten letztens 30 Milliarden Dollar für die Ukraine locker, davon etwa 20 Milliarden an militärischer Hilfe. Die EU lässt sich ebenfalls nicht lumpen, pumpt Milliarden in Form von Waffen in die Ukraine. Das heißt, die EU sorgt dafür, dass die Kriegsschäden, für die sie aufkommen will, täglich mehr werden; Schätzungen bzw. Berechnungen gehen aktuell von etwa 900 Milliarden Euro aus. Ist das etwa noch normal? Und von der Leyen sagte: „Die Ukraine kann voll auf die Unterstützung der EU zählen“.
Die schlauen Köpfe in Brüssel meinen aber eine Möglichkeit gefunden zu haben, das Geldproblem für den ukrainischen Wiederaufbau in den Griff zu bekommen. Die EU- Kommission will nämlich – so stellt sie sich das zumindest vor – beschlagnahmte russische Vermögenswerte der Ukraine zukommen lassen. Allerdings müssen dafür in fast allen EU- Staaten Gesetze geändert oder geschaffen werden. So einfach ist das nicht, obwohl der ukrainische Schauspieler- Präsident – oder doch Präsidenten- Schauspieler – bei dem Gedanken, viele Milliarden zu erhalten, sicher leuchtende Augen bekommt.
Aber: Sind die Sanktionen rechtlich, völkerrechtlich, in Ordnung? Sie wurden ja von den USA verhängt und nicht von der UNO und die EU hat sich bereitwillig als Vollstrecker zur Verfügung gestellt. Und ist die Beschlagnahme von Privateigentum (in diesem Fall) russischer Staatsbürger rechtlich in Ordnung? Ist es vielleicht doch so etwas wie Sippenhaftung nach Vorbild der Nazis? Den größten Brocken unter den russischen Vermögenswerten machen die eingefrorenen Gelder der russischen Zentralbank aus. Da soll es um etwa 300 Milliarden Dollar gehen. Der EU- Außenberater Josep Borrell sagte dazu vor ein paar Tagen in einem Interview: „Wir haben das Geld in unseren Taschen“. Völkerrechtler sehen das allerdings etwas anders und ein EU- Diplomat meinte überraschend direkt, Borrell wisse „wohl selbst nicht genau, was er fordert“.
Ist das nicht wirklich ein sauberer Verein?