Der Bundespräsident, aufgeschreckt durch für ihn unliebsame Vorfälle, meldete sich jetzt zu Wort. Bei seiner Rede anlässlich der Eröffnung der Bregenzer Festspiele kritisierte er sogar die Bundesregierung und ermahnte sie, zu „arbeiten, arbeiten, arbeiten“. Weil sie dafür ja gewählt wurde. Diese Mahnung war längst überfällig. Er sprach auch das Energieproblem an und die dramatische Situation bei den Preisen und für ihn ist der russische Präsident, den er offen als „Diktator“ bezeichnete, die Wurzel des Übels. Er sprach dann auch davon, dass während seiner Rede ukrainische Familien in Bunkern ausharren zum Schutz vor russischen Bomben und dass man sich keinesfalls zum „Vasallen“ Putins machen dürfe. Das stimmt alles, aber wenn er jetzt den Ukraine- Krieg verurteilt – warum hat er in den letzten Jahren nicht als einen von vielen Kriegen den Krieg im Jemen verurteilt? Es wird ihm doch bewusst sein, dass dort seit Jahren Krieg herrscht. Dort gibt es unzählige gezielte Angriffe auf zivile Ziele, auf Spitäler, Schulen und Märkte, dort verhungern Kinder. Schwieg er dazu bisher, weil dieser Krieg weiter weg ist oder weil dort die Saudis, die von den USA und anderen westlichen Staaten unterstützt werden, den Jemen „in die Steinzeit zurückbomben“ und nicht die Russen?
Diese Wortwahl des Bundespräsidenten in Hinblick auf Russland war ungewöhnlich für eine Festspiel- Eröffnung, aber auch für das Oberhaupt eines neutralen Staates. Damit wurde Partei ergriffen. Und das war nicht gerade klug. Aber irgendwer wollte das wahrscheinlich so hören. Klug war aber die Ukraine- Reise von Außenminister Schallenberg ganz sicher auch nicht. In wessen Auftrag erfolgte diese Reise? Im Auftrag der Bevölkerung gewiss nicht. Als vor längerer Zeit Kanzler Nehammer dem ukrainischen Präsidenten- Schauspieler und Waffenforderer Zelenskyj seine Aufwartung machte, hagelte es von rundum Kritik. Das ist aber mittlerweile alles Schnee von gestern. Jetzt ist längst alles auf Kriegsrhetorik getrimmt und wenn der Außenminister sagt: „Ganz bestimmt darf ein Frieden nicht von Russland diktiert werden“ und Russland diesen Krieg nicht gewinnen darf, dann sind das gefährliche und unkluge Äußerungen, die ein ranghoher Politiker eines angeblich neutralen Staates da von sich gibt. Es ist ja auch beschämend, wenn die österreichische Diplomatie, eine österreichische Vermittlerrolle, nicht mehr gefragt ist – und das ganz offen auch so gesagt wurde. Weil unsere Politiker längst Partei ergriffen haben. Kann man unter diesen Voraussetzungen eigentlich noch von „unseren“ Politikern reden? Sie vertreten ja in vielen Bereichen keine österreichischen Interessen mehr.
Ich weiß nicht, wie die Situation in den 30er- Jahren des vergangenen Jahrhunderts, vor dem Zweiten Weltkrieg, aufgeschaukelt und die Bevölkerung auf einen kommenden Krieg eingeschworen wurde. (Vielleicht gibt es ein paar Leser, die sich daran noch erinnern.) Ich kann mir aber vorstellen, dass es ähnlich ablief wie jetzt. Wo Werte- losigkeit, Ehrlosigkeit, Verantwortungslosigkeit zu Tugenden erklärt werden.