Die EU hat sich seit Februar, seit Beginn des Ukraine- Krieges, zu einer Krisenregion entwickelt. Wenn man es genau betrachtet,sind es eigentlich mehrere Krisen. Da ist einmal die Inflationskrise. Die Inflation (nach HVPI) betrug im September 22 in der Eurozone nämlich schon über 9 Prozent. Das ist ein Mittelwert; einzelne Länder sind z. T. weit drüber. Die Niederlande z. B. hatten im September mehr als 17 Prozent, Österreich knapp 11 Prozent, Frankreich hingegen nur 6,2 Prozent. Das sind Werte, wie es sie seit vielen Jahrzehnten nicht gab. Diese extreme Inflation erschwert jetzt Lohnverhandlungen, denn die Gewerkschaften fordern jetzt bis zu 10 Prozent und mehr höhere Lohnabschlüsse. Jetzt werden, als Folge der Inflation, auch die Zinsen angehoben. Deswegen werden viele Kreditnehmer in die Pleite schlittern, weil die Rückzahlungen in die Höhe schießen (es sei denn, jemand hat laut Vertrag niedrige Fixzinsen). Es zeigt sich auch schon eine massive Wirtschaftskrise. Der Grund sind fehlende oder nicht mehr leistbare Rohstoffe und Energie. Die Stromkosten sind explodiert, genau so wie die Kosten für Gas. Verantwortlich dafür sind die Deregulierung der Märkte, Spekulation an den Spotmärkten und die sogenannte Merit- Order, wenn Gas zur Stromerzeugung verwendet wird. Das macht den Strom richtig teuer. Beim Gas war es über Jahrzehnte zur Selbstverständlichkeit geworden, dass es großteils russisches Gas war, welches kostengünstig und wegen langfristiger Lieferverträge immer zur Verfügung stand. Damit ist es jetzt vorbei. Zu verdanken ist das dem Ukraine- Krieg, den Sanktionen, nicht ganz klaren Verhaltensweisen aller betroffenen Parteien wie freiwilliger Verzicht auf russisches Gas bzw. Lieferstopps durch Russland, der Sprengung der Nord Stream- Leitungen und letztendlich dem Beschluss durch das EU- Parlament, die zerstörten Nord Stream- Leitungen nicht zu reparieren – auch deutsche EU- Parlamentarier stimmten dafür.

  Die Devise lautet anscheinend: Wenn es schon Gas sein muss, gibt es ja US- Flüssiggas. Allerdings ist das verdammt teuer und so manche Waren werden, bedingt durch den hohen Gaspreis für die Produktion nicht mehr konkurrenzfähig sein. Einige EU- Länder und ganz besonders Deutschland werden die Folgen der Gaskrise sehr schmerzhaft zu spüren bekommen. Die Klima- und Umweltschützer hingegen werden möglicherweise sogar jubeln, wenn die deutsche Wirtschaft den Bach hinunter geht. Und je näher der Winter kommt und je kälter der Winter wird, um so deutlicher werden die Strom- und Gaskrise in der EU spürbar werden. Jetzt ist es ja so, dass in der Ukraine die Kraftwerke, Umspannwerke, Trafostationen und Leitungen von Russland bombardiert werden. In der Folge kann die Ukraine keinen Strom mehr exportieren; z. B. nach Polen oder Deutschland.

  Das Magazin „The Economist“ befasste sich in einem Artikel mit der Energiekrise in der EU. Darin wird auch erwähnt, dass der IWF Anfang Oktober die Wirtschaftsprognose für das Jahr 2023 in der Eurozone von ursprünglich 2,5 Prozent auf 0,5 Prozent senkte. Die weltweite Gasversorgung wird laut Prognose noch bis 2024 eingeschränkt sein und die Preise in die Höhe treiben. Drosseln Unternehmen wegen der Kosten die Produktion, wirkt sich das aber dann über die Lieferketten auf andere Branchen und Länder aus. Besonders stark betroffen von der Gaskrise sind laut einer Grafik im „Economist“ Deutschland, Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Österreich. Der „Economist“ hat anscheinend kein Vertrauen in die Versprechen von z. B. dem deutschen Wirtschaftsminister Habeck und der österreichischen Energieministerin Gewessler. Die meinen ja, mit sparen und frieren würden wir problemlos über den Winter kommen. Die wirtschaftlichen Aussichten für die EU sind, wenn die Einschätzungen des „Economist“ stimmen, jedenfalls düster. Und trotzdem hat man den Eindruck, dass die Krise von der Politik gewollt ist.

  Die EU hätte ja im Februar an die Adresse der Ukraine sagen können: Macht euch eure Differenzen mit Russland alleine aus oder gemeinsam mit den USA. Uns geht eure Streiterei nichts an. Aber dafür hätten die USA wahrscheinlich kein Verständnis gehabt. Und so ist die Situation, wie sie ist.

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