In den letzten Tagen hielten zwei europäische Politiker eine bemerkenswerte Rede. Die erste, schon ein paar Tage zurückliegende, hielt der „Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik“ (man könnte weniger geschwollen auch „EU- Außenminister“ sagen), Josep Borrell. Das war eine Rede, die teils für hochgezogene Augenbrauen sorgte. Er verglich darin die EU mit einem Garten, wogegen er den Rest der Welt aus Dschungel sah. Zur Darstellung seiner Sicht meinte er, kein Zaun und keine Mauer könne den Garten schützen, denn der Dschungel wachse zu schnell. Die Europäer müssen deshalb in den Dschungel hinein, denn „andernfalls wird der Rest der Welt auf andere Weise und mit anderen Mitteln in uns eindringen“. Im ersten Moment möchte man meinen, er spreche da von einer Abkehr der bis jetzt befürworteten Massenzuwanderung in die EU. Das meinte er aber keinesfalls, das sprach er auch nicht an, das war nicht Thema. Er meinte was anderes. Die Rede wurde aber auch als rassistisch und imperialistisch eingestuft und kritisiert. Ein Kritiker der Rede meinte auch, mit einer solchen Ausdrucksweise würden sich Länder des sogenannten Globalen Südens erst recht nicht, wie von der EU gefordert, den Sanktionen gegen Russland anschließen.

  Borrell sprach ein anderes Thema an; er drohte als Repräsentant der EU Russland. Sollte Russland taktische Atomwaffen in der Ukraine einsetzen, dann werde eine militärische Aktion seitens der EU, der USA und der NATO erfolgen – ohne Atomwaffen – die die Vernichtung der russischen Armee zur Folge hätte. Dazu gab es noch mehr Kritik. Er maße sich an, über Dinge zu sprechen, die ihn nichts angehen. Ein EU- Diplomat meinte dazu, Borrell spreche da über „Reaktionsmöglichkeiten, für die er nicht verantwortlich ist, mit Fähigkeiten, die er nicht hat …“ Seine Rede könnte aber trotzdem darauf hinweisen, dass die EU sich in Zukunft auf der internationalen Bühne stärker positionieren will, auch militärisch. Obwohl es noch keine EU- Armee gibt. Aber es gibt PESCO und eine geplante militärische EU- Eingreiftruppe und ähnliches mehr. Wrtschaftlich geht es mit der EU abwärts, militärisch will sie stärker werden. Der wirtschaftliche Abschwung ist teils eine Folge der Sanktionen, teils haben auch die USA damit zu tun. Und in Deutschland wird ja sogar schon von „Deindustrialisierung“ gesprochen. Und von Frieden oder Verhandlungen bezüglich des Ukraine- Krieges findet sich in der Borrell- Rede kein Wort.

  Die zweite bemerkenswerte Rede hielt der deutsche Bundespräsident Steinmeier. Sie wird von Medien als „Grundsatzrede“ bezeichnet, aber auch als „Durchhalteparole“. Seine etwa 45-minütige Rede begann er mit einem Rückblick: „Jeder Mensch in unserem Land, der am 24. Februar aufwachte und die Bilder sah von Raketeneinschlägen in Kiew, … wusste: An diesem Morgen war die Welt eine andere geworden. Der 24. Februar war ein Epochenbruch …“ Später kam dann ein Absatz, der in seiner Bedeutung übersehen wurde. Er sagte: „Deutschland, ein Land so klein im Weltmaßstab und praktisch ohne Ressourcen und Bodenschätze, war eine starke, moderne, global vernetzte Volkswirtschaft geworden …“ Er sagte nichts dazu, dass Deutschlands Wirtschaft und Deutschlands Wohlstand ohne eigene Ressourcen und Bodenschätze in großer Abhängigkeit ist von internationalen Märkten, u. a. vom russischen Rohstoffmarkt, und auf diesen Punkt gingen die Medien auch nicht ein. Nach einigen Erklärungen ging es weiter mit: „Meine Antwort ist: Es kommen härtere Jahre, raue Jahre auf uns zu. Deutschlands Friedensdividende ist aufgezehrt, und es beginnt für Deutschland eine Epoche im Gegenwind … Wir müssen konfliktfähig werden, nach innen wie nach außen. Wir brauchen den Willen zur Selbstbehauptung, und wir brauchen auch die Kraft zur Selbstbeschränkung. Wir brauchen keine Kriegsmentalität – aber wir brauchen Widerstandsgeist und Widerstandskraft …“ Er verteidigt die Sanktionen, er verteidigt die Hilfe für die Ukraine. Die militärische genau so wie die humanitäre. Und er verteidigt den Krieg, denn „dieser Krieg geht uns etwas an“. Steinmeier spricht auch von Frieden, aber im Fall der Ukraine hält er nicht viel davon. Er sagt: „… Und ich weiß, viele Menschen in unserem Land sehnen sich nach Frieden. Einige glauben, es fehle an ernsthaften Bemühungen unsererseits, ja an Bereitschaft zum Verhandeln… Aber „ein vermeintlicher Friede, der solches Handeln belohnt, ein Friede, der Putins Landraub besiegelt, ist kein Friede …Ein solcher Scheinfriede würde Putins Hunger noch vergrößern …“

  Dann spricht er die kommenden Belastungen an, die Einschränkungen, und es kommt der Hinweis: „Mit diesem Winter ist es nicht getan …“ Er verlässt dann den Kriegsschauplatz, wendet sich dem Klimawandel zu. Der ja auch mit Entbehrungen für die Bevölkerung verbunden ist. Die Bevölkerung wird eingeschworen auf Verzicht – und auf sehr viel Verständnis für die Politik und er beschwört „widerstandskräftige Bürger“, die im Sinne der Politik handeln und das politische System nicht in Frage stellen.

  Deutschland und eigentlich der ganzen EU wurden die jetzigen Probleme von der Politik eingebrockt. Die sich mit den USA nach dem russischen Überfall auf die Ukraine für einen andauernden Krieg gegen Russland entschieden hat. Diese Politiker hätten ja auch sagen können: „Liebe Ukraine, du hast seit 2014 im Donbass mehr als nur gezündelt. Mach dir das mit Russland jetzt alleine oder auch gemeinsam mit den USA aus, denn das ist nicht unser Krieg.“ Der Krieg wäre längst vorbei und es gäbe keine Wirtschaftskrise in dem Umfang und keinen Wohlstandsverlust und keine Deindustrialisierung samt allen schlimmen Folgen.

  Und eines sollte auch nicht vergessen werden: Ein gewisser Herr Steinmeier war als deutscher Außenminister mit zwei EU- Amtskollegen in der Ukraine am Maidan- Putsch und seinen Folgen alles andere als unbeteiligt. Die Rechnung wird jetzt präsentiert.

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