Da gab es in Venezuela doch einen Mann namens Juan Gaido, der sich selbst im Jänner 2019 zum Interimspräsidenten von Venezuela erklärte – und sogar von 54 Nationen, darunter den EU- Staaten, als solcher anerkannt wurde. Der gewählte Präsident Maduro, mit dem die USA gar keine Freude hatten, wäre somit als abgesetzt oder gestürzt zu betrachten gewesen. Guaido berief sich bei seiner Selbst- Erklärung zum Präsidenten auf einen Artikel 233 der venezolanischen Verfassung. Diesen Artikel wird im Ausland wohl kaum wer gekannt haben und die, die ihn kannten, haben sich wohl ruhig verhalten. Der neue „starke Mann“ von Venezuela wurde ja von internationalen Medien bejubelt und außerdem wurde er von den USA unterstützt, um Präsident Maduro zu stürzen. Dieser Artikel 233 enthält nämlich einige Punkte, die nicht gegeben waren, als sich Guaido selbst zum Übergangspräsidenten kürte. Die Ausrufung zum Übergangspräsidenten war somit ein Verfassungsbruch, ein Putsch, und die Macht hatte weiterhin Präsident Maduro mit seinem Kabinett.
Schon Ende März 2019, also nur zwei Monate nach dem Putschversuch, untersagte der venezolanische Rechnungshof Guaido für 15 Jahre die Ausübung aller politischen Ämter, da er „ihm nicht zustehende öffentliche Aufgaben wahrgenommen und gemeinsam mit ausländischen Regierungen Aktionen zum Schaden des venezolanischen Volkes durchgeführt“ habe. Es wurden auch Korruptionsvorwürfe gegen Guaido erhoben, die er zurückwies. Die USA kritisierten das Vorgehen des Rechnungshofes im Fall Guaido. Guaido selbst rief Ende April zum Sturz von Präsident Maduro auf und forderte die Armee auf, sich ihm anzuschließen. US- Politiker wie z. B. Bolton, Pence oder Pompeo forderten venezolanische Politiker auf, sich auf die Seite Guaidos zu stellen und dessen „Operacion Libertad“ zu unterstützen. Einige Armeeangehörige unterstützten Guaido, schossen bei Tumulten mit scharfer Munition. Der bewaffnete Putschversuch wurde abgewehrt.
Es wurde dann bekannt, dass Guaido enge Kontakte zu kolumbianischen Drogenbaronen unterhielt. Das sorgte für weiteres Schwinden der Unterstützung aus der Bevölkerung. Die USA versuchten, mit Beschlagnahme venezolanischer Vermögenswerte und mit einer militärischen Geheimoperation in der Art wie Jahrzehnte vorher in der Schweinebucht von Kuba den Sturz Maduros herbeiführen zu können. Beide Versuche scheiterten und Ende 2020 wurde Maduro durch eine Wahl im Amt bestätigt. Da änderte auch der Vorwurf des Westens von Wahlfälschung nichts daran. Im Jänner 2021 beschlossen die EU- Staaten, Guaido nicht mehr als venezolanischen Präsidenten anzuerkennen. Zu diesem Zeitpunkt war Guaido auch international schon erledigt. Die Europäer hatten auf das falsche Pferd gesetzt. Eines hatte Guaido aber geschafft: Schon Ende Jänner 2019, fast gleichzeitig mit seiner Selbsternennung zum Übergangspräsidenten, ersuchte er die britische Premierministerin Theresa May, die bei der Bank of England lagernden Goldreserven Venezuelas nicht der Regierung Maduros auszuhändigen, sondern ihm zur Verfügung zu stellen. Die britische Regierung verweigerte tatsächlich die Übergabe der Goldreserven an Maduro.
Guaido ist endgültig draußen, denn die Weigerung der venezolanischen Opposition, ihn weiter zu unterstützen, war sein politisches Ende – und ein Schlag für die USA. Ja, und 2022 kam US- Präsident Biden als Bittsteller zu Maduro, um wegen Lieferungen venezolanischen Öls an die USA zu verhandeln. Aber der Großteil der Sanktionen bleibt aufrecht.