Schon im vergangenen Oktober vermeldete die ungarische Regierung, dass sie die Bevölkerung wegen der bzw. zu den EU- Sanktionen gegen Russland befragen will. „Nationale Konsultation“ nennt sich das in Ungarn und es passierte nicht das erste Mal, dass die ungarische Regierung die Meinung der Bevölkerung zu verschiedenen Themen erfahren will. Im Rest der EU hörte man das natürlich gar nicht gern. Erstens wegen der Fragen; die Meinung der Bevölkerung zu den EU- Sanktionen gegen Russland hat niemand zu hinterfragen und erst recht nicht anzuzweifeln. Wo kämen wir denn da hin, wenn das jeder macht? Und zweitens wurde das gar nicht gerne gehört wegen der Befragung an sich. Wo kämen wir denn da hin, wenn das Volk fast überall seinen Senf dazugeben kann? Womöglich dann auch noch vorgeben oder gar bestimmen will, was zu machen ist oder gar gemacht werden muss. So weit geht dann Demokratie auch wieder nicht. Da ist die Aufregung in Brüssel und in den EU- Staaten natürlich verständlich. Noch dazu, wenn dieser demokratische Ausrutscher vom sattsam bekannten EU- Quertreiber Viktor Orban ausgeht. Dazu konnte man ein paar Tage nach der Ankündigung der „Nationalen Konsultation“ in Österreich beispielsweise lesen: „… Der rechtspopulistische Ministerpräsident Viktor Orban „befragt“ sein Volk zu den EU- Sanktionen gegen Russland. Im EU- Rat trug er sie zwar bislang stets mit, doch neuerdings wettert er gegen sie, als wären sie ein von „Brüssel“ aufgezwungenes Teufelswerk …“ „Befragt“ steht also unter Anführungszeichen, und die sieben Fragen der „Konsultation“werden vorab schon einmal als manipulativ kritisiert. Und die Sanktionen mitgetragen hat Orban vielleicht deswegen, weil Brüssel bei Widerstand gern zu Erpressermethoden greift und weil er für Ungarn Ausnahmeregelungen erreichte. Eine der Fragen lautete übrigens: „Sind Sie mit den Sanktionen einverstanden, die sich auf Gaslieferungen beziehen?“ Und eine andere: „Sind Sie mit den Brüsseler Ölsanktionen einverstanden?“ Zusätzlich zur Umfrage wurde auch eine Plakataktion gestartet. Darauf war beispielsweise zu lesen: „Die Brüsseler Sanktionen ruinieren uns“.

  Wie gesagt; die Empörung war groß. Obwohl die Befragung, also die „Nationale Konsultation“, keine juristisch verbindlichen Folgen hat. Es ist aber trotzdem ein gravierender Unterschied zu den in Österreich immer wieder durchgeführten Volksbegehren. In Ungarn will der Regierungschef die Meinung der Bevölkerung zu bestimmten Themen wissen – und mehr oder weniger darauf reagieren. Die in Österreich durchgeführten Volksbegehren werden von Einzelpersonen oder Vereinen gestartet – und interessieren die Regierung eigentlich gar nicht. Ab einer bestimmten Anzahl an Unterschriften muss sich zwar das Parlament damit befassen, aber von Erfolg gekrönt war ein Volksbegehren eigentlich so gut wie noch nie.

  Vor ein paar Tagen wurde das Ergebnis der ungarischen Abstimmung über die Russland- Sanktionen bekannt gegeben: 97 Prozent der Befragten haben gegen die Sanktionen gestimmt und beteiligt an der Befragung haben sich 1,4 Millionen wahlberechtigte ungarische Staatsbürger. Das Umfrageergebnis ist laut einer Regierungssprecherin „richtungsweisend“ und sollte auch in Brüssel gehört werden. Beim ORF vergaß man in einem Artikel zum Ergebnis auch nicht darauf hinzuweisen, dass die 1,4 Millionen Teilnehmer der Befragung nicht der Mehrheit der Wahlberechtigten entsprechen. Das hat aber auch niemand behauptet und es spielt auch keine Rolle. Bei der letzten Parlamentswahl in Ungarn waren nämlich mehr als 8 Millionen Ungarn wahlberechtigt. Die Orban übrigens zum dritten Mal, glaube ich, mit absoluter Mehrheit gewann.

  In Ungarn scheint Orban beliebter zu sein als in Brüssel. Und von seinen Befragungen, einem Zeichen direkter Demokratie, halten wohl alle EU- Staaten nichts, wie man an der Kritik sehen konnte.

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