Mit der Südamerika- Tour des deutschen Kanzlers Scholz kam unerwartet das sogenannte Mercosur- Abkommen wieder ins Gespräch. Eigentlich ist es ja das EU- Freihandelsabkommen mit den sogenannten Mercosur- Staaten Südamerikas. Wobei Mercosur (Mercado Comun del Sur – Gemeinsamer Markt des Südens) eben ein gemeinsamer Markt ist; dessen Mitgliedsstaaten sind  Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela, wobei Venezuela seit 2016 dauerhaft suspendiert ist. Mit diesem Staatenbund und zugleich einer der größten Wirtschaftsgemeinschaften der Welt steht also die EU in Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen. Dieses Abkommen ist ja mehr oder weniger ausverhandelt, aber der Teufel steckt halt, wie so oft, im Detail. Seit 2019 gibt es eine grundsätzliche Einigung, aber noch ist nichts ratifiziert. Und genau deswegen drängte Scholz auf seiner ersten Station in Südamerika, in Argentinien, auf einen schnellen Abschluss. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem argentinischen Präsidenten in Buenos Aires sagte er, um eine Vertiefung der Handelsbeziehungen bemüht: „Wir wollen deswegen auch unseren strategischen Dialog zur Energiepolitik weiter fortsetzen … Das gilt zum Beispiel auch für die Nutzung von Flüssiggas LNG“. Er ist ja auch deswegen in Südamerika, um die Abhängigkeit Deutschlands von China bei Rohstoffen zu reduzieren und Argentinien könnte ein Lieferant von Flüssiggas für Deutschland und für die EU werden, außerdem gibt es in Argentinien große Lithium- Vorkommen. Ein Rohstoff, ohne den es keine E- Autos geben würde. Ursprünglich ging es bei diesem
Abkommen, vereinfacht gesagt, um Rindfleisch gegen europäische Autos, aber der Ukraine- Krieg hat vieles verändert.

  Beim Mercosur- Abkommen spießt es sich aber weiterhin. Einer der Streitpunkte ist die Forderung der EU, dass Brasilien konkrete Zusagen zum Schutz des Amazonas- Regenwaldes machen muss. Die gibt es bis jetzt nicht; nur vage Versprechen. Das war unter dem abgewählten brasilianischen Präsidenten Bolsonaro so und das scheint unter dem neuen Präsidenten Lula da Silva bis jetzt nicht anders zu sein. Der sagte zwar: „Das Abkommen mit der EU ist dringend notwendig“, aber eine Unterschrift gibt es trotzdem nicht. Und es gibt auch Unstimmigkeiten innerhalb der südamerikanischen Mercosur- Staaten. Uruguays Präsident z. B. kündigte an, sein Land für wirtschaftliche Beziehungen mit China zu öffnen. Einer Öffnung China gegenüber ist aber auch der brasilianische Präsident nicht ganz abgeneigt. Trotzdem sagte er in einem Gespräch mit Scholz: „Wir werden versuchen, den Europäern zu zeigen, wie flexibel wir sind. Und wir wollen, dass die Europäer uns zeigen, wie flexibel sie sind“. Also weiterhin keine fixe Zusage, obwohl Lula da Silva fordert, dass das Abkommen schnell in Kraft tritt.

  In Brüssel wird ja schon überlegt, das Mercosur- Abkommen als geteiltes Abkommen zu behandeln, mit einem Splitting. Dadurch kann die geforderte Einstimmigkeit umgangen werden. Wenn zuerst über den Handelsvertrag abgestimmt wird, braucht es keine Einstimmigkeit und große Teile des Abkommens können sofort vorläufig in Kraft treten. So wurde es ja auch bei CETA, dem Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada, gehandhabt. Bei Mercosur ist es aber noch nicht so weit. Aber es wird wohl trotz Veto aus Österreich – soweit es das noch gibt – so kommen. Von einem Punkt des Abkommens hört man aber zur Zeit nichts; von den Schiedsgerichten. Jene nicht- staatlichen Schiedsgerichte, vor denen Konzerne ganze Staaten und Regierungen beispielsweise auf Schadenersatz für entgangene Gewinne klagen können. Wenn etwa strengere Umweltschutzmaßnahmen eingeführt werden.

  Vielleicht spielte es bei den Gesprächen mit Scholz auch eine Rolle, dass Brasilien Mitglied von BRICS ist, jenem Staatenbund aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Und Argentinien ist bestrebt, ein Mitglied zu werden. Nicht unbedingt förderlich für die EU.

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