Bei den jetzigen Massendemos in Frankreich zeigt sich: Der französische Präsident Macron, der sich allem Anschein nach wahlweise für Napoleon oder für den „Sonnenkönig“ Ludwig XIV hält, hat nicht nur keine Angst vor Konflikten, sondern er sucht sie offensichtlich; das muss man ihm lassen. Der Präsident, der als Vertreter der Hochfinanz gilt, regiert ja mit der Härte von Napoleon und pflegt auch den Absolutismus des „Sonnenkönigs“. Nur; auch ein Macron wird Frankreich nicht wieder zu dem machen, was Frankreich unter dem „Sonnenkönig“ war. Aber eigentlich hinkt auch ein Vergleich von Macron mit Napoleon. Napoleons Aufstieg begann während der französischen Revolution und sein Untergang wurde eingeläutet durch militärische Niederlagen. Macron hingegen wurde zwei Mal als Präsident gewählt, um eine Präsidentin Le Pen zu verhindern und nicht, weil er so beliebt und so angesehen bei den Wählern war. Er provozierte in seiner ersten Regentschaft den „Gelbwesten- Aufstand“, den er brutal niederschlagen ließ, und hat es jetzt, in der zweiten Amtsperiode, mit den „Rentenreform- Protesten“ zu tun. Diese Proteste haben das Zeug, sich zu einer Revolution zu entwickeln, die das politische Aus für Macron bedeuten könnte. Am meisten erzürnt die Demonstranten ja, dass der Präsident trotz massiver Proteste diese Reform unter Umgehung des Parlaments mit einer Ausnahmeregelung aus der Zeit von General de Gaulle durchgedrückt hat.

  Die Proteste legen von Mal zu Mal an Schärfe zu; auf der Seite der Staatsmacht wie auch auf der Seite der Demonstranten. Mittlerweile ist es ja schon so weit, dass die Gewerkschaften zu Generalstreik aufrufen und es sind bei den Protesten, auch ohne Aufruf zum Generalstreik, in den französischen Städten hunderttausende Menschen auf der Straße, letztens sollen sich sogar drei Millionen Franzosen an den Protesten beteiligt haben. Sie fordern nicht nur die Rücknahme der im Handstreich von Macron durchgezogenen Pensionsreform, sie fordern auch eine andere Politik. Was jetzt abläuft, ist ein Aufstand, der sämtliche Proteste der letzten Jahre in den Schatten stellt. Das trifft aber auch auf die Polizei zu, die immer hemmungsloser durchgreift. Als vor Wochen die Proteste begannen, war die Polizei noch zurückhaltend. Das ist längst Vergangenheit. Jetzt gibt es Prügel, Tränengas, massenhafte und anlasslose Festnahmen, „Schutzhaft“ bis 24 Stunden, juristische Schikanen. Es sollen, wie zu erfahren war, sogar Busse voll anreisender Demonstranten in Abschiebegefängnissen untergebracht worden sein.

  In den Öffentlich- Rechtlichen und den Massenmedien wird über die Proteste sehr „schaumgebremst“ berichtet; weil sie sich nicht verschweigen lassen. Letztens war aber doch von 450 Festnahmen an einem einzigen Tag die Rede. Dazu sagte ein befragter Pariser: „Das kann schon stimmen. Das ist mehr als an intensiven Gelbwesten- Tagen. Außerdem wurde gestern hauptsächlich geprügelt und Tränengas geworfen“. Der französische Innenminister verteidigt die polizeiliche Vorgangsweise damit, dass es sich ja um „gewalttätige Proteste“ handelt und Präsident Macron denkt (im Moment) gar nicht daran, Zugeständnisse oder Rückzieher zu machen. Es gibt auch international kaum Kritik an oder gar Druck auf Macron. Das macht man nur bei Staaten, die nicht zum „Werte- Westen“ gehören. Einzig AI meldet sich zu Wort, zeigt auch Videos von Polizeigewalt. Eine Entspannung ist nicht in Sicht. Vor einigen Tagen verteidigte Macron in einem Interview seine Reform als „notwendig“. Laut einer Umfrage glauben jedoch nur 11 Prozent der Bevölkerung, dass sich nach diesem Interview die Lage beruhigen wird. Und 61 Prozent der Franzosen befürworten weitere Aktionen gegen Macron. Dabei ist das, was sich jetzt schon als Folge der Proteste z. B. in Paris abspielt, schon schlimm genug und „stinkt zum Himmel“, im wahrsten Sinn des Wortes. Wegen des z. T. schon seit Wochen dauernden Streiks der Müllabfuhr in Teilen von Paris sind die Straßen zu stinkenden Mülldeponien mit einer zunehmenden Rattenplage verkommen.

  Auf einer Webseite kann man übrigens lesen: „Die Mainstream- Medien würden ausrasten, wenn Frankreichs Millionen- Protest in Russland stattfände“. Und dann ist vor ein paar Tagen im Zusammenhang mit den Protesten in Frankreich etwas ganz Außergewöhnliches passiert: Der iranische Außenminister Hossein Amir- Abdollahian wandte sich auf Twitter mit einem Aufruf an die französische Regierung. Er schrieb: „Wir verurteilen aufs Schärfste die Unterdrückung der friedlichen Demonstrationen des französischen Volkes. Wir fordern die französische Regierung auf, die Menschenrechte zu achten, und von der Anwendung von Gewalt gegen das Volk ihres Landes, das seine Forderungen friedlich verfolgt, Abstand zu nehmen“.