Was in Österreich rund um die Neutralität abläuft, ist unglaublich. Wäre das lustig, was da abläuft, könnte man von einem Operettenstaat sprechen. Es ist aber nicht lustig, weil der Hintergrund dazu der Ukraine- Krieg ist. Mittlerweile ist es ja ein Trauerspiel in drei Akten. Der erste Akt lief ab, als unser wertester Herr Bundespräsident, Alexander Van der Bellen, samt Frau und der Umwelt- und Verkehrsministerin Gewessler, dem Wirtschaftsminister Kocher und mit Medienleuten und wer weiß mit wem noch Anfang Februar dem ukrainischen Machthaber Zelenskyj ihre Aufwartung machten und ihm huldigten. Das war jener denkwürdige Besuch, als sich der Bundespräsident bei Zelenskyj fast dafür entschuldigte, dass Österreich keine Waffen liefern dürfe; wegen der Neutralität, und Zelenskyj dann meinte, dann könne Österreich sich doch bei Minenräumung und Drohnenabwehr nützlich machen. Damals kam die einzige Stimme gegen einen Einsatz des Bundesheeres zur Minenräumung im Kriegsland Ukraine von der Verteidigungsministerin Tanner, die sagte: „Ich kann mir durchaus eine Unterstützung der Ukraine bei der Entminung durch unser Bundesheer vorstellen, allerdings erst nach Ende des Krieges, alles andere würde dem Verfassungsrecht widersprechen“. Das hat die Ministerin richtig erkannt. Als offiziell neutraler Staat hat Österreich bei einer Kriegspartei wie der Ukraine nichts verloren, auch nicht zur Entminung.
Der zweite Akt lief ab, als am 30. März die österreichischen Parlamentarier das zweifelhafte Vergnügen hatten, dem ukrainischen Forderer- Präsidenten in einer zugeschalteten Rede lauschen zu dürfen. Ein Teil der Parlamentarier verließ zur Rede allerdings den Saal, ein anderer Teil war vorsorglich gar nicht erschienen. Jedenfalls erwähnte bei seiner Rede der ehrenwerte Herr Zelenskyj auch wieder die Minen, die die Russen hinterlassen hätten, und die der Räumung und Entschärfung harren. Nachdem Kanzler und Außenminister Hilfe für die Ukraine zugesagt hatten, nahm ein paar Tage nach der Rede die Diskussion Fahrt auf. Einerseits wurde das Wissen über Minenortung und Entschärfung des österreichischen Bundesheeres betont und andererseits wurde darauf hingewiesen, dass ein Einsatz des Bundesheeres in der Ukraine wegen der Neutralität erst nach Kriegsende möglich wäre. Dazu meinte aber ein Abgeordneter, dass das viel zu spät sei und dass gleich geholfen werden muss. Einige Leute bis hin zu „Rechtsexperten“ und dem ukrainischen Botschafter in Wien sehen wegen der Minenräumung in der kriegsführenden Ukraine die Neutralität aber nicht in Gefahr.
Und jetzt, nochmals ein paar Tage später, fiel der Vorhang für den dritten Akt. Jetzt wird das Thema der Minenräumung in der Ukraine während des Krieges durch österreichische Soldaten intensiver behandelt. Jetzt kommt Unterstützung für diese verrückten Pläne nicht nur von Kanzler Nehammer und Außenminister Schallenberg, sondern auch von Bundespräsident Van der Bellen. Dass sich der Bundespräsident, der ja auch Oberbefehlshaber des Österreichischen Bundesheeres ist, ebenfalls für diese Art von Unterstützung für die Ukraine ausspricht, war vorhersehbar. Er hat sich dahingehend auch schon gegenüber dem polnischen Präsidenten geäußert und aus der Wiener Hofburg heiß es jetzt: „Er wird sich für rasche Hilfe bestmöglich einsetzen“. Schützenhilfe kommt auch vom Nationalratspräsidenten. Der meinte: „Österreich hat sich stets an den EU- Beistandspakt gehalten. Das würde bei Entminung nicht anders sein. Entscheiden müssen aber Juristen“. (Eine Frage, so am Rande, lautet: Wann war Österreich schon mit dem Beistandspakt konfrontiert?) Und Juristen zu finden, die bei der Entminung während des Krieges kein Problem bezüglich Neutralität sehen, wird sicher nicht das größte Problem sein. Die Verteidigungsministerin ist wiederum die Einzige, für die ein Entminungseinsatz in der Ukraine während des Krieges nicht in Frage kommt; eben wegen der Neutralität.
Eines scheint ziemlich sicher: Für den Bundespräsidenten, für den Kanzler, für den Außenminister und für einige andere österreichische Politiker wäre es auch dann noch mit der Neutralität vereinbar, wenn Österreich z. B. Haubitzen in die Ukraine liefern würde, die als Spielzeug für Zelenskyj deklariert wären. Sicher ist aber auch: Österreichische Politiker bis hin zum Bundespräsidenten spielen mit der Neutralität, aber für die hat EU- Hörigkeit einen höheren Stellenwert als unsere verfassungsrechtlich verankerte Neutralität. Und sie gehen davon aus, dass die Österreicher dieses perfide Spiel nicht durchschauen – oder es ist ihnen auch egal.