Seit dem Zeitpunkt, als ausgehend vom sogenannten „Ibiza- Video“ und dem Korruptions- Untersuchungsausschuss Ermittlungen gegen Politiker, Ex- Politiker, Spitzenbeamte und einige Personen aus diesem Umfeld geführt wurden, tat sich in Österreich einiges. Im Fernsehen, in den Printmedien und auf den Webseiten der Online- Medien vermeinte man schon fast, es gäbe sonst nichts mehr zu berichten als massenhaft Chatnachrichten, geschrieben von jene Leuten, gegen die ermittelt wurde und ausgelesen von deren Handys. Der Unterhaltungswert dieser Chats war groß und sie gewährten auch einen tiefen Blick, wie diese Leute tickten. Dass der Großteil oder zumindest ein großer Teil dieser Chats als privat einzustufen war und für die Ermittler mit größter Wahrscheinlichkeit wertlos waren, störte weder Justiz noch Medien. Bei den Personen, gegen die ermittelt wurde, handelte es sich ja großteils um FPÖ- bzw. ÖVP- Leute und somit taten sich die meisten Medien keinen Zwang an, auf sie medial einzuprügeln.

  Die Behörden waren sehr eifrig dabei, gleich nach Einleitung der Ermittlungsverfahren Datenträger wie z. B. die Handys einzuziehen; zwecks Auswertung. Auf verschlungenen Pfaden oder auch auf direktem Weg fanden die ausgelesenen Daten den Weg zu den Medien. Den Medien, so hieß es immer, seien sie „zugespielt“ worden. Wer diese Daten von den Behörden/ von der Justiz aber weitergegeben hatte an die Medienleute, wurde nie gesagt und auch nie gefragt. Ob über Mittelsmänner/frauen oder nicht, wollte auch nie jemand wissen. In Frage kommen jedenfalls nur zwei Möglichkeiten: Entweder wurden die Daten von den Behörden/der Justiz „einfach so“ weitergegeben oder sie wurden von den Medien gekauft oder gestohlen.

  Nach und nach wurde es ruhiger, weil schon viele Ermittlungsverfahren eingestellt wurden – weil es nichts zu ermitteln gab – oder weil es Freisprüche gab oder in Einzelfällen noch eine Berufungsverhandlung ausständig ist. Und jetzt gab es unerwartet eine Kehrtwende. Einem Unternehmer, gegen den wegen des Verdachts auf Untreue ermittelt wurde, wurde auch sein Handy abgenommen. Dieser Mann wehrte sich gegen die Handy- Abnahme; er ging vor Gericht. Der Fall ging bis zum Verfassungsgerichtshof und der gab dem Unternehmer recht. Die jetzt dazu gefällte Entscheidung hat möglicherweise weitreichende Folgen – für die Zukunft, aber nicht rückwirkend. Der VfGH gibt dem Gesetzgeber aber bis Ende 2024 Zeit, das Gesetz zu reparieren. Da soll aber auch daran gedacht werden, dass bei illegalen Migranten das Auslesen der Handys durch ein repariertes Gesetz nicht unmöglich gemacht werden soll. Bei der Sicherstellung von mobilen Datenträgern wie z. B. Handys, so das Höchstgericht, müsse es vorab eine richterliche Genehmigung geben. Alles andere sei dann verfassungswidrig. Es liegt ansonsten ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz und ein Verstoß gegen das Recht auf Privatleben vor. Die Richter erklärten, dass es zwecks Verfolgung von Straftaten ein legitimes Ziel sei, Datenträger sicherzustellen und auszuwerten. Die angefochtenen Bestimmungen der Strafprozessordnung entsprachen aber nicht den Anforderungen des Datenschutzgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Übrigens; die Ermittlungen gegen den klagenden Unternehmer wurden längst eingestellt.

  Die ÖVP jubelt; Verfassungsministerin Edtstadler sagt: „Ich freue mich, dass der VfGH mit seinem Erkenntnis bestätigt, wofür ich seit Jahren kämpfe … Es ist unser gesetzlicher Auftrag dies umgehend zu korrigieren .“ Die grüne Noch- Justizministerin Zadic hingegen erklärt: „Ich begrüße, dass der VfGH mit seiner Entscheidung die grundrechtlichen Fragen und Abwägungen bei Handysicherstellungen verfassungsrechtlich geklärt hat …“ Es meldete sich dann auch gleich der Innenminister zu Wort. Der fordert ja schon lange Regeln für eine verfassungskonforme Überwachung von Messenger- Diensten.

P. S.: Warum von all den Politiker, Ex- Politikern usw. deren Chats lange Zeit die Schlagzeilen beherrschten, keiner gegen die Handy- Abnahme vor Gericht zog, ist eigentlich unverständlich und spricht auch nicht für die Anwälte.