Über Weißrussland gibt es im Westen schon seit Jahren fast nur negative Berichterstattung. Der Langzeit- Herrscher Lukaschenko wird gerne als „der letzte Diktator Europas“ bezeichnet – und trotzdem Ende 2019 in Wien von Bundespräsident Van der Bellen mit militärischen Ehren bei einem offiziellen Staatsbesuch empfangen. Aber seit der letzten Präsidentenwahl im August vergangenen Jahres herrscht Eiszeit zwischen der EU und Weißrussland. „Weder frei noch fair“ war die Wahl, sagt die EU- Führung und erkennt Lukaschenko nicht als legitimen Präsidenten an. Der Westen sieht Beweise für Wahlbetrug. Die Präsidentschaftskandidatin Tichanowskaja, die sich aus Furcht vor einer Verhaftung ins EU- Land Litauen abgesetzt hat, wird von der weißrussischen Opposition und auch vom Westen als die Wahlsiegerin und somit als Staatspräsidentin gesehen, obwohl sie offiziell nur etwa 20 Prozent der Stimmen erhielt. In der Folge wird Tichanowskaja von westlichen Politikern herumgereicht. Die Oppositionsführerin absolviert Staatsbesuche, wird von Merkel, Macron, Kurz und selbst von US- Präsident Biden empfangen. Diese Frau, vom Westen finanziert, (von wem sonst?), fordert von den USA und der EU ein massives Vorgehen gegen Weißrussland, also eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates. Ja, und der Westen – und das schließt die NATO mit ein – will ja unbedingt erreichen, dass sich Weißrussland von Russland abwendet und dem Westen zuwendet und das wird unter Lukaschenko kaum passieren. Es ist also in etwa das gleiche perfide Spiel geplant wie vor ein paar Jahren in der Ukraine. Würde übrigens in Österreich oder anderswo jemand zum Sturz der Regierung aufrufen, wäre da nicht die Rede von einer gefeierten Oppositionsführerin, sondern von einer Kriminellen, von einer gefährlichen Staatsfeindin.

  Es gab dann Berichte, dass in Weißrussland „eine Gruppe mit terroristischer Ausrichtung“ zerschlagen wurde, die „mit gewalttätigen Mitteln die Macht ergreifen“ wollte. Da sollen ausländische Kräfte aus dem Westen dahinter gestanden haben. Dann kam die Sache mit der Ryanair- Maschine, die auf dem Flug von Athen nach Litauen wegen einer tatsächlichen oder angeblichen Bombendrohung an Bord in der weißrussischen Hauptstadt Minsk eine Zwischenlandung einlegte. Die internationalen Medien berichteten groß von einer „erzwungenen Landung“, von einer „Notlandung“ und es meldete sich auch der NATO- Generalsekretär zu Wort und sagte: „Das ist ein schwerwiegender und gefährlicher Vorfall, der internationale Untersuchungen erfordert“. Bombe wurde keine gefunden, aber ein weißrussischer Regierungskritiker und Blogger, einige Medien bezeichneten ihn auch als Journalist, war im Flugzeug und wurde in Minsk festgenommen. Da wurde von „Entführung“ gesprochen und behauptet, dass der Blogger nur durch Folter ein per Video veröffentlichtes Geständnis über seine regierungsfeindlichen Aktivitäten ablegte. Die ganze westliche Welt forderte Sanktionen und „deutliche Konsequenzen“ gegen Weißrussland wegen der „Flugzeugentführung“ und der Verhaftung des Bloggers. Ganz so klar und eindeutig dürfte diese Flugzeugentführung aber nicht gewesen sein, man hörte auch von „Inszenierung“, und veröffentlichter Funkverkehr zwischen der betroffenen Ryanair- Maschine und der weißrussischen Flugkontrolle weisen nicht gerade auf eine „erzwungene Landung“ hin – vorausgesetzt, der veröffentlichte Funkverkehr war echt. Und dann war zu lesen, dass vor dem Abdrehen nach Minsk der Sinkflug nach Vilnius noch nicht eingeleitet war, obwohl das auf Grund der Entfernung schon notwendig gewesen wäre. Apropos Flugzeugentführung: Als 2013 Boliviens damaliger Präsident Morales mit seiner Maschine von Moskau nach Südamerika unterwegs war, wurde er von EU- Staaten zu einer Zwischenlandung in Wien gezwungen. Es wurde vermutet, dass der von den USA gesuchte Whistleblower Edward Snowden in der Präsidentenmaschine sei. Deshalb sperrten Frankreich, Spanien und Portugal kurzfristig den Luftraum für die Präsidentenmaschine. Nach der – erfolglosen – Durchsuchung der Maschine durfte der Präsident weiterfliegen. Das wurde vom Westen natürlich nicht als „erzwungene Landung“ verurteilt.

  Vor ein paar Tagen wurde ein als vermisst gemeldeter weißrussischer Aktivist, man könnte ihn aus Sicht der Regierung auch auch als Regierungsgegner oder gar Staatsfeind bezeichnen, unweit seines Wohnsitzes tot aufgefunden; erhängt. Ob es Selbstmord war oder ob der junge Mann „verselbstmordet“ wurde, wird kaum eindeutig geklärt werden. Viele sehen seinen Tod jedenfalls als Selbstmord getarnten Mord, hinter dem die Staatsnacht steckt. Die Polizei ermittelt jedenfalls wegen Mord, wird berichtet. Und jetzt die Sache mit der weißrussischen Sportlerin bei den Olympischen Spielen in Japan. Was da aus sportlicher Sicht und beim weißrussischen Verband ablief, ist eigentlich zweitrangig.

Vorrangig geht es darum, dass da offensichtlich eine medienwirksame Flucht, eine wahrscheinlich gut geplante und vorbereitete Flucht, über die Bühne lief. Das war keine spontane Entscheidung der Sportlerin. Die polnische Botschaft in Tokio gewährte ihr blitzschnell ein humanitäres Visum; auch Österreich hätte ihr gerne ein Visum erteilt. Die Sportlerin flog dann aber nicht auf direktem Weg nach Warschau, sondern flog – aus Sicherheitsgründen – vorerst nach Wien, wo sie, man staune, vom ÖVP- Staatssekretär wie ein Staatsgast am VIP- Terminal empfangen wurde.

  Helden, die gegen den weißrussischen Diktator aufbegehren, müssen entsprechend gewürdigt werden.

P. S.: Ich las letztens einen Bericht eines österreichischen Geschäftsmannes, der beruflich viel in Weißrussland zu tun hat. Seine Sicht der Dinge weicht gravierend von dem Bild ab, welches westliche Politiker und Medien von Weißrussland zeichnen.